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Re: Blindenschrift



Zunaechst einmal: Die Punktschrift wird - nach ihrem Erfinder Louis Braille
- auch "Brailleschrift" genannt. Louis Braille hat sie - erst 16-jaehrig -
im Jahr 1825 Erfunden.

Sie besteht aus maximal 6 Punkten. Die Buchstaben und Satzzeichen sind
also eine Kombination aus diesen Punkten. Zu den Zahlen sage ich nachher
noch was.

Die 6 Punkte sind so aufgebaut, wie ein Eierkarton fuer 6 Eier. Du musst ihn
so vor Dich stellen, dass jeweils 2 Punkte neben- und drei untereinander
liegen. Nun hat man die PUnkte Numeriert: Der links oben ist Punkt 1,
darunter Punkt 2, darunter Punkt 3; Rechts oben ist Punkt 4, darunter
Punkt 5 und darunter Punkt 6.

Das a Beispielsweise ist Punkt 1. B: PUnkt 1 und 2. C Punkt 1 und 4. D 1,
4 5.

Die Buchstaben a - j werden aus den oberen 4 Punkten gebildet. Das System
dieser 10 Buchstaben wiederholt sich ab dem k, wobei dann noch Punkt 3
dazu kommt. Konkret: a ist Punkt 1, k ist 1,3. D ist 1,4,5, K ist 1,3,4,5
usw. Bei U geht es wieder von vorne los, wobei dann Punkt 3 und 6 zu dem
bekannten Muster kommen. A ist also Punkt 1, u Punkte 1,3,6 usw. Eine
Ausnahme bildet das w, das damals im franzoesischen Alphabet nicht vorkam.
Es wird aus den Punkten 2,4,5,6 gebildet, x ist dann 1,3,4,6.

Fuer die Zahlen werden die Buchstaben a - j verwendet. Damit man merkt, dass
es sich um eine Zahl und nicht um eine Buchstabenfolge handelt, setzt man
das sog. "Zahlenzeichen" hinzu, das aus den Punkten 3,4,5,6 besteht.
Dieses Zeichen zeigt also an, ob es sich bei h e i d i um eine Dame oder
85949 handelt. ;-)

Die Satzzeichen sind alle im unteren Bereich der Zelle angesiedelt,
bestehen also aus Punkten im Bereich 2,3,5,6.

Mit den 6 Punkten lassen sich 63 Kombinationen erzeugen. Weil man im
Computerzeitalter mehr braucht, hat man (nur fuer Computeranwendungen, also
nicht im regulaeren Buch- oder Zeitschriftendruck) noch zwei Punkte unten
angefuegt: Punkt 7 liegt unter Punkt 3 und Punkt 8 unter Punkt 6. Dadurch
koennen alle 255 ASCII-Zeichen dargestellt werden. Der Backslash z. B.
besteht aus den Punkten 3,4,7.

Gelesen wird die Brailleschrift natuerlich mit den Fingern. Meist werden
dabei die Zeigefinger verwendet. Eine gute Lesetechnik ist die folgende:

Beide Finger beginnen mit dem Lesen einer Zeile; etwa in der Mitte
"verlaesst" der linke den rechten Zeigefinger; waehrend der rechte die Zeile
zu Ende liest, geht der linke zum Anfang der folgenden Zeile. Ist der
rechte fertig, beginnt der linke mit dem lesen der naechsten Zeile, waehrend
der recht zu ihm kommt - und alles geht von vorne los. Auf diese Weise
laesst sich - bei entsprechend viel Uebung - ein gutes (Vor)-Lesetempo
erreichen.

Zum Schreiben gibt es mehrere Moeglichkeiten. Die Einfachste ist die sog.
Tafel. Das ist das Schreibgeraet, das es sozusagen von Anfang an fuer die
Brailleschrift gab: Man hat eine Art Sieb, in dem die 6-Punkte-Felder
enthalten sind. Allerdings gehen die Loecher nicht durch, sondern sind nur
vertiefrungen. Darueber kommt ein Deckel oder Lineal mit den Umrissen der 6-
Punkte-Zelle. Zwischen Deckel/Lineal und Boden dieser Tafel kommt ein
Blatt. Man nimmt meist Papier, das etwas dicker ist, damit die Punkte, die
man ja erzeugen will, sich nicht so leicht ausdruecken. Nun wird von oben
mit einem spitzen Stift geschrieben, in dem man sozusagen Loecher ins
Papier drueckt. Da die Loecher des Siebes aber unter nicht offen sind,
erzeugt man eben keine Loecher sondern - Punkte. Das Problem dabei: Man
liest von links nach rechts; da man aber Loecher stechen muss, schreibt man
spiegelverkehrt von rechts nach links. Weit ueber 100 Jahre ist das gut
gegangen. Jetzt haben in den letzten Jahrzehnten die Blindenpaedagogen
ueberlegt, dass das viiiiiiel zu kompliziert ist; haeufig lernen blinde
Schueler oder spaeterblindete Erwachsene deshalb nicht mehr, mit der Tafel
zu schreiben. Es gibt aber kein anderes Geraet, dass so leicht transportiert
werden kann wie die Tafel. (Tafeln gibt es in allen groessen, von DIN a 4
bis Check-Karten-Groesse). Eine kleine Taf3el ist fuer den blinden das, was
fuer den Sehenden der Kugelschreiber ist; ich z. B. trage immer eine Tafel
mit mir.

Dann gibt es Punktschriftmaschinen. Hier ist jeder Taste ein Punkt
zugeordnet; man drueckt die Tasten, die man fuer einen Buchstaben braucht.
Man kann dadurch, dass man sozusagen mit einem Druecken den ganzen
Buchstaben erzeugen kann, schneller schreiben als mit der Tafel. Die
Punkte werden auch von unten nach oben gedrueckt, so dass man keine
Spiegelschrift schreiben muss und die Buchstaben sofort lesen kann. Dafuer
ist das Geraet groesser, schwerer und lauter.

Heute wird Punktschrift natuerlich auch mit speziellen
Brailleschriftdruckern gedruckt, die man an PCs anschliessen kann.

Noch ein letzter "Punkt": Brailleschrift hat einen groesseren Platzbedarf
als die Schrift der Sehenden, die wir oft als "Schwarzschrift" bezeichnen,
auch wenn sie oft in anderen Farben auftritt. Deshalb hat man in vielen
Laendern - darunter auch in den deutsprachigen - eine eigene Kurzschrift
eingefuehrt, bei der Silben und ganze Woerter gekuerzt werden koennen. Man
spart dadurch Platz und erhoeht die Lese- bzw. Schreibgeschwindigkeit.
Diese Schrift ist die gebraeuchliste Form der Brailleschrift.

So, das war's mal fuers erste. Vielleicht habe ich mehr Fragen aufgeworfen
als beantwortet, aber ich hoffe, ich konnte weiterhelfen.