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Reha-Bericht
- Subject: Reha-Bericht
- From: Michaela Zimmermann <na2084_bEi_fen.baynet.de>
- Date: Mon, 27 Oct 1997 14:49:37 -0600
Hallo Alle!
Hier mein persoenlicher Bericht von der Rehamesse 1997 in Duesseldorf,
falls jemand Interesse hat:
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REHA 97 - MEIN PERSOENLICHER BERICHT
==================================Es ist einfach unmoeglich, an einem einzigen Tag alle Produkte aller Firmen
anzuschauen, die auf der Messe vertreten sind - man konzentriert sich am
besten auf ein "Spezialgebiet" und versucht, darueber so viele
Informationen wie moeglich zu erhalten.
"Welche WINDOWS-Loesungen fuer Blinde gibt es und welche
Braillezeilen/Sprachausgaben werden unterstuetzt"? Mit dieser Frage im
Hinterkopf habe ich mich am Freitag, den 24. Oktober, von Hilfsmittelfirma
zu Hilfsmittelfirma durchgefragt und versucht, von allen eine individuelle
Antwort zu erhalten. Da ich eine Arbeitsstelle bekommen werde, wo ich mit
WINDOWS 95 oder NT arbeiten soll, habe ich mich natuerlich ueber solche
Systeme informiert.
Bevor wir uns zur Halle 7, wo die ganzen Hilfsmittelfirmen fuer
Sehbehinderte und Blinde ihre Staende hatten, begaben, erhielten wir am
Eingang eine Beschreibung des messe-eigenen Leitsystems namens Loges. Am
Boden befanden sind Linien aus Gummi (wie Gleise geformt) oder
Spezialfliesen, die den Hauptweg darstellten. Kreuzungen wurden durch
leicht hervorstehende Quadrate angezeigt. Senkrecht zum Weg verlaufende,
schmale Streifen deuteten auf eine "Attraktion", also einen Stand hin. Das
Leitsystem half mir als Blinde wenig in der Hinsicht, die richtigen Firmen
zu finden, bei denen ich mich umschauen wollte, aber ich konnte dadurch
immer den Hauptweg finden und mich so von Stand zu Stand durchfragen. Die
Leute an den einzelnen Staenden waren sehr hilfsbereit und fuehrten mich,
ohne sich zu beklagen, auch zu ihren Konkurrenzfirmen hin.
Ein weiteres Blatt wurde ausgeteilt. Darauf konnten wir eine kurze, aber
unvollstaendige Uebersicht aller Firmen finden, die in Halle 7 vertreten
waren. Bei Firmen, die Gemeinschaftsstaende hatten, wurde nur eine
angefuehrt. Zu fragen war also besser, als sich an diese Uebersicht zu
halten.
Das Partnerland dieser REHA war Italien. In Halle 7 waren auch einige
italienische Firmen vertreten, die Leitsysteme und Rollstuehle
praesentierten.
Nun aber zu den Firmen, die ich besucht habe:
Bei allen Firmen wurden wir ausreichend mit kalten oder heissen Getraenken
unserer Wahl versorgt. Daher war ein Verdursten auf der Messe unmoeglich
;).
Als Erstes besuchten wir den Stand der Firma Handy Tech Elektronik GmbH, da
sich alle in unserer Gruppe Jaws fuer WINDOWS NT anschauen wollten. Wir
wurden nicht enttaeuscht: Jaws lief sehr stabil und machte auf mich auch
einen recht ausgereiften Eindruck. Am besten und effektivsten ist Jaws mit
einer Kombination aus Sprachausgabe und Braillezeile zu bedienen, aber es
soll auch eine Version fuer "nur-Zeioen-Benutzer" geben. Dies kommt mir als
ausgesprochener "Zeilen-Fan" absolut entgegen. Bei Handy Tech lief Jaws in
Verbindung mit einer 80er Braillezeile namens "Braille Top", welche ueber
die modernsten Funktionen und viele variable Anschluesse an einen PC
verfuegt. Die leicht zu lernende Bedienung und die Kompatiblitaet zu vielen
Braillezeilen und Sprachausgaben macht Jaws zu einem meiner persoenlichen
"Favoriten". Die Demo-Version werde ich mir auf jeden Fall holen, da Jaws
auch mit "Text Assist" (ein Programm, welches beim Kauf einer Soundblaster
16 mitgeliefert wird) laufen soll.
Die Gruppe loeste sich langsam auf und jeder ging seine eigenen Wege. Die
Reihenfolge, in welcher ich die Staende besucht habe, kann ich leider nicht
mehr genau nachvollziehen, aber ich werde meine Erinnerungen durch die
vielen mitgebrachten Prospekte wachrufen.
Weil ich von der Slimware Window Bridge der Firma Tieman GmbH schon viel
Gutes gehoert und gelesen hatte, wollte ich mich selber von der Qualitaet
dieser Software ueberzeugen. Die Vorfuehrung wurde durch ein aus Schokolade
geformtes Braillemodul versuesst. SWB fuer WINDOWS 95 in Verbindung mit der
Combi-Braille 85 (Tieman's 80er Braillezeile) lief ebenfalls stabil. Die
vielen Funktionen, von denen ich mich bereits in der Dokumentation der
Demo-Version ueberzeugen konnte und die Jaws-aehnliche Bedienung machen SWB
zu einer WINDOWS-Loesung, die sich bestimmt auch in der Praxis bewaehrt.
Bei Ludwig Becker betrachtete ich mir die 80er Alpha Braillezeile, die mit
fast allen WINDOWS-Loesungen fuer Blinde kompatibel ist; was mir
persoenlich besonders gut gefaellt, weil ich somit als Blinde dieselben
Moeglichkeiten wie eine sehende Person habe: ich kann mir meine Hilfsmittel
nach meinem eigenen Geschmack zusammenstellen, ohne an eine Firma gebunden
zu sein. Ludwig Becker vertreibt die Alpha in Verbindung mit Jaws, und auch
hier konnte ich mich von der Stabilitaet und Flexibilitaet dieser Software
auf's Neue ueberzeugen.
Bei der Firma KTS war vor allem die neue Braillezeile (Brailloterm32)
sehenswert. Als WINDOWS-Loesung vertreibt KTS ebenfalls Jaws, welches auf
dieser 32-Bit-Faehigen, einfach zu handhabenden Braillezeile auch stabil
lief. Brailleterm32 besticht durch seine wenigen Tasten und der einfachen
Bedienung ueber ein internes Menuesystem. Bei der Brailloterm32
Professional (das "Luxus-Modell", ist sogar ein kleiner Sprachrekorder fuer
kleinere Notizen eingebaut. Brailloterm32 gibt es auch noch in den
Versionen Lite (40er oder 80er) und Standard. Laut KTS soll das Update von
einer einfachen auf eine luxirioesere Ausstattung sehr einfach und
preiswert sein.
Weil ich waehrend meiner Ausbildung in Heidelberg mit "Blindows", der
WINDOWS-Loesung der Firma Frank Audiodata unter WINDOWS 3.11 gearbeitet
hatte, wollte ich mir natuerlich auch ansehen, wie Blindows fuer WINDOWS 95
beschaffen war. Die Bedienung und die Oberflaeche sind dem Blindows fuer
WINDOWS 3.11 sehr aehnlich, also braeuchte man sich bei einem Umstieg auf
Blindows fuer WINDOWS 95 kaum umzustellen. Audiodata's Blindows lief zwar
sehr stabil, aber die Tatsache, dass es nur mit Braillezeilen von Frank
Audiodata selbst laeuft, finde ich persoenlich ein wenig schade. Man ist
also beim Kauf einer Audiodata-Zeile an Blindows quasi "gebunden". Blindows
fuer WINDOWS NT ist, laut Audiodata, bereits in Arbeit und soll in der
ersten Jahreshaelfte 1998 auf den Markt kommen.
Viele haben mir von "Virgo", der WINDOWS-Loesung der Firma Baum Elektronik,
erzaehlt und bisher hatte ich noch nie die Moeglichkeit, die Software
selber zu testen. Daher liess ich mir die Virgo einmal ausfuehrlichst
erklaeren. Virgo fuer WINDOWS 95 wurde mir in Verbindung mit "Vario", der
wahrscheinlich kleinsten und leichtesten 40er Braillezeilen ueberhaupt,
vorgefuehrt. Leider konnte ich den Herrn, der mir die schnuckelige Vario
zum Anfassen in die Hand gab, nicht davon ueberzeugen, dass diese sich sehr
gut in meine Reserve-Stofftasche packen und mitnehmen liesse ;). Virgo ist,
wie schon von frueheren Versionen her bekannt ist, eine sehr stabil
laufende Software, aber mich persoenlich hat die etwas komplizierte
Bedienung durch Nummernkombinationen, die ueber den Nummernblock eingegeben
werden muessen, verwirrt. Das mag aber auch an meinem sehr schlechten
Zahlengedaechtnis liegen.
Eine Woche vor meinem Besuch auf der REHA in Duesseldorf war bereits eine
kleine Ausstellung in Nuernberg, wo ich mir "Windots" der Firma F. H.
Papenmeier bereits ein wenig anschauen konnte. In Nuenrberg wurde aber die
aeltere Software-Version gezeigt, welche sich auf dem Vorfuehr-Rechner
aufgehaengt hatte. Daher wollte ich mich von der Stabilitaet der neuen
Windots-Version, die mir in Nuernberg versprochen wurde, ueberzeugen. Ja,
Windots fuer WINDOWS 95 lief stabil, es gab keine Pannen. Der Cursor lief
mit, wo ich ihn hinhaben wollte, auch wenn das Cursor-Routing manchmal
etwas hartnaeckig zu sein schien. Auf meine Frage, ob man in Windots auch
unbekannte Icons, Bitmaps oder Grafiken anlernen koenne, wurde mir ich vom
Entwickler auf ein Extraprogramm hingewiesen, welches beim Kauf von
Windots hoffentlich mitgeliefert wird. Dies habe ich leider vergessen zu
fragen.
Hedo Systems GmbH war mit "Insight", einer WINDOWS-Loesung fuer
Braillezeile und Sprachausgabe vertreten. Insight fuer WINDOWS NT wurde
zwar in einer "Alpha-Testversion" vorgefuehrt und hatte noch diverse
"Schoenheitsfehler", aber diese sollen in der Kaufversion, die im 1.
Halbjahr 1998 erscheinen soll, alle behoben sein. Dies versprach mir der
Herr, der mir Insight vorfuehrte. Die Testversion zeigte schonmal, in
welche Richtung WINDOWS NT mit Hilfe von Insight fuer Blinde nutzbar
gemacht werden soll. Ohne die Kaufversion nicht zu kennen, moechte ich hier
noch kein Urteil bilden, da ich Insight fuer WINDOWS 3.11 nicht kenne, aber
die Testversion lief schonmal stabil. Soviel ich weiss, soll es von Insight
auch eine Demo-Version geben.
Last but not least besuchte ich noch die Firma Novotech. Dort wurde mir
Alpha (eine Braillezeile einer hollaendischen Firma, die auch Ludwig Becker
vertreibt) in Verbindung mit der ebenfalls von dieser Firma programmierten
WINDOWS-Loesung "Outspoken" vorgestellt. Da ich von dieser Loesung nur den
Namen und sonst kaum etwas gehoert hatte, betrachtete ich mir diese
natuerlich mit entsprechender Neugierde. Outspoken lief unter WINDOWS 95
und kann entweder mit diversen Sprachausgaben oder Brailelzeilen genutzt
werden. Die Bedienung schien einfach; alle Funktionen, die fuer Blinde
wichtig sind, waren enthalten. Von Outspoken gibt es auch eine
Demo-Version, die sogar mit dem Sprachprogramm "Test Assist", welches beim
Kauf einer Soundblaster 16 mitgeliefert wird, laeuft. Meine persoenlcihe
Meinung: Diese Demo sollte unbedingt getestet werden, denn ich glaube, dass
diese WINDOWS-Loesung mehr Beachtung verdient.
Kurz bevor ich mich zum Treffpunkt begeben wollte, an welchem ich mich mit
meiner Gruppe verabredet hatte, liess ich mir noch das "Internet-Cafe"
zeigen. Leider war zu dieser Zeit ein sehr grosser Andrang, und ich konnte
nicht selber mit NetScape oder dem Microsoft Explorer surfen, obwohl ich
mir gerne ein paar unter DOSLYNX unlesbaren Seiten angeschaut haette. Es
stand da zwar ein einsam und verlassener Rechner mit Virgo, aber damit kam
cih ohne Erklaerungen nicht zurecht.
Das waren nun alle mir bekannten Hilfsmittelfirmen, die ich auf der Messe
besucht habe. Um mich fuer eine fuer mich geeignete Loesung zu entscheiden,
waere ich ueber Eure Tips und praktischen Erfahrungen sehr dankbar. Auf
einer Messe kann man sich zwar einen kurzen Ueberblick verschaffen, aber
inwiefern sich eine WINDOWS-Loesung in der Praxis bewaehrt, erfaehrt man
nur durch eigene oder fremde Tests. Schreibt mir einfach unter den am Ende
dieses Bericht angegebenen Adressen.
Jetzt moechte ich noch auf verschiedene Firmen eingehen, ueber die ich beim
Suchen der verschiedenen Staende quasi "gestolpert" bin. Diese Firmen
verkaufen zwar keine WINDOWS-relevanten Produkte, aber ich fand sie
trotzdem interessant genug, um hier kurz vorgestellt zu werden.
Bei der Firma BLISTA Brailletec blieb ich eine ganze Weile stehen und liess
mir die neue Elotype 4 zeigen. Das ist eine elektronische Schreibmaschine
fuer Blinde. Der Herr von Brailletec erklaerte mir die mannigfaltigen
Funktionen dieses Geraetes, und er konnte mich davon ueberzeugen, dass
blinde Schueler, die mit dieser Maschine ausgestattet werden, ohne
groessere Schwierigkeiten in "normale" Schulen integriert werden koennen.
Somit wird in Zukunft ein laengerer Internatsaufenthalt in einer
Blindenschule unnoetig. Brailletec verkauft auch noch andere Produkte wie
zB eine Zeichentafel oder einen sprechenden Messkoffer, die ebenfalls
Schuelern und Studenten den Besuch einer normalen Schule erheblich
erleichtern. Der Vorfuehrer erzaehlte einem anderen Kunden, dass die Firma
Brailletec auch guenstige Hifi-Geraete vertreiben wuerde, die ohne
Einschraenkungen von Blinden bedient werden koennten. Gerade in der
heutigen Welt der Sensortechnik und der Digitalanzeigen wird uns Blinden
dadurch der Kauf von Hifi-Geraeten ungemein erleichtert und die Suche nach
geeigneten Geraeten enorm verkuerzt.
Am Stand der Firma Thiel (Hersteller von relativ preiswerten und qualitativ
hochwertigen Blindendruckern) konnte ich leider nur zuhoeren, weil die
Drucker von Leuten umgeben waren und ich keine Chance hatte, selber
hinzukommen. Aber ich konnte mich von der guten Druck-Qualitaet und der
Grafikfaehigkeit des Thiel-Druckers ueberzeugen, indem ich mir Testblaetter
geben liess.
Auf dem Weg zu meinem Treffpunkt machte ich noch schnell Halt bei der Firma
RTB (Rehabilitationstechnik Broer) und lief eine kleine Runde mit dem
"Ultra Bodyguard". Das ist ein kleines Geraetchen, welches mit dem
Blindenstock zusammen eingesetzt wird. Um den Hals getragen erfassen die
Sensoren dieses Hilfsmittels alle Objekte, die sich im Kopf- und
Schulterbereich des Blinden befinden (wie zB Schilder oder
LKW-Ladeflaechen). Durch das mehr oder weniger starke Vibrieren eines auf
der Schulter befestigten, kleinen Kaestchens wird vor Hindernissen
gewarnt. Fuer Mobilitaets-Anfaenger stelle ich mir das Vibrieren ziemlich
verwirrend vor, aber fuer einen "versierteren" Blindenstockbenutzer kann
das Geraet ein brauchbares Hilfsmittel sein. Nach einem Glaeschen Sekt und
einem kleinen Spielchen am Roulette-Tisch (wo ich als Trostpreis einen
Designerwuerfel gewonnen habe) verabschiedete ich mich wieder.
Total muede und mit schmerzenden Fuessen kam ich dann nach einer
fuenfstuendigen Zugfahrt (Duesseldorf-Nuernberg) im Grossraumwagen zu Hause
an. Aber ich werde wohl auch naechstes Jahr wieder auf die REHA gehen, weil
man sich einen guten Ueberblick verschaffen kann, ohne gleich tagelang zu
den einzelnen Hilfsmittelfirmen hinfahren zu muessen.
Michaela Zimmermann
Zu erreichen unter:
FIDO: Michaela Zimmermann_bEi_2:2490/2020.25
E-Mail: mz_bEi_raar.sesom.de
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Tschuess
Michaela
Hier geht nichts - aber das mit System. :-)
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