[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: Blinde in Lohn und Brot



Hallo Detlef (und alle),

>>Es ist doch so, dass der Firmenchef zuerst darauf schaut ob seine
Arbeitskraft in kurzer Zeit volle Leistung bringen kann. Und da ist auch
noch die Voreingenommenheit das ein Behinderter dazu nicht in der Lage
ist.<<

ist das wirklich so? Differenzierter: sind nicht die ganzen
Schutzbestimmungen im Arbeitsrecht mittlerweile so eng fuer den Arbeitgeber,
dass der sich gar nicht mehr traut einen behinderten Mitarbeiter
einzustellen (kann nicht kuendigen, muss mehr Urlaub geben, eine
"Hauptfuersorgestelle" mischt sich in den Betrieb ein ...)? Und noch
haerter: ist denn wirklich (nur) Voreingenommenheit im Spiel, wenn am
gleichen Leistungsvermoegen behinderter Menschen gezweifelt wird? Ich hatte
mal Kontakt mit einem blinden Juristen. Der stand auf der Gegenseite und
hatte noch nicht einmal die einfachste juristische Regel beachtet, die
Fristwahrung. Also wie der sein Examen bekommen haben mag ...

Damit es niemand in den falschen Hals bekommt: natuerlich kenne ich nicht
nur negative Beispiele. Aber ich erinnere mich an einen eigenen Mitarbeiter.
Nach einem Schlaganfall war er ueber ein Jahr arbeitsunfaehig, dann
Anerkennung als behindert, dann Kuendigungsverfahren, Zustimmung der
Hauptfuersorgestelle, dann verklagte er mich auf Urlaubsentschaedigung. Er
hatte ja in seinem letzten (dauerkranken!) Jahr keinen Urlaub nehmen
koennen, deshalb haette ich den mit 125% Lohn zu ersetzen. Der Mann verlor
damals, inzwischen gibt es aber ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, nach
dem sich alle Arbeitsgerichte richten muessen, und danach haette ich
verloren.

Die Eltern blinder Kinder haben uebrigens ganz unabhaengig vom Blindengeld
Sorge, dass ihre Toechter und Soehne kein sinnerfuelltes Leben fuehren
koennen ohne Arbeit. Und es besteht der Eindruck, dass bisher der
Oeffentliche Dienst eine Art "Beschuetzende Werkstatt" zusaetzlich war, es
aber zunehmend weniger wird wegen der Fehlverwendung von Steuergeldern.

Manche Eltern diskutieren, ob nicht ein verminderter Lohn die Situation
aendern koenne. Ich lehne das als Gewerkschafter grundsaetzlich ab (damit
wird nur Druck auf die besser bezahlten Mitarbeiter ausgeuebt und eine
verschaerfte Konkurrenz geschaffen), will aber auch nicht die Sorgen und
Ueberlegungen dieser Eltern zu leicht nehmen.

Lieben Gruss, Wolf

Wolf-Dietrich Trenner
Foerdergemeinschaft fuer Taubblinde e.V.
http://selbsthilfe.seiten.de