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Kriterienkatalog fuer Deutsche Bahn



"Kriterienkatalog fuer eine blinden- und sehbehindertengerechte
Gestaltung von Bahnanlagen und Reisezugwagen" des GFUV<

Sehr geehrte Damen und Herren,

beiliegend erhalten Sie den o. g. Kriterienkatalog zur
Kenntnisnahme. Das Papier versteht sich als Leitfaden, der
wesentlich auf der Erfahrung Betroffener fusst. Der
Kriterienkatlog erhebt keinen Anspruch auf Vollstaendigkeit oder
Wisssenschaftlichkeit. Technische Daten und Werte wurden bewusst
vermieden, da dies Aufgabe der Fachliteratur und der
Normungsarbeit ist. Die persoenlichen Reiseerlebnisse Blinder und
Sehbehinderter, die in den vergangenen Jahren in Resolutionen, in
die Ausschussarbeit und auch in den Briefverkehr mit der
Deutschten Bahn eingeflossen sind, waren Ansatzpunkt und wurden
von den Mitgliedern des Gemeinsamen Fachausschusses fuer Umwelt
und Verkehr (GFUV) ergaenzt oder konkretisiert. Ziel ist,
schwerpunktmaessig moeglichst konkrete und anschauliche Beispiele
dafuer zu nennen, welche (oft einfachen) Massnahmen Blinden und
Sehbehinderten das Reisen mit der Bahn erleichtern.

Der Kriterienkatalog entstand wie in der Einleitung desselben
erwaehnt auf Anregung der Deutschen Bahn AG. Er wurde vom
Gemeinsamen Fachausschuss fuer Umwelt und Verkehr in der
vorliegenden Form verabschiedet. Somit haben wir nun ein Papier
an der Hand, an dem neben dem DBSV auch die Bundesverbaende
Deutscher Verein der Blinden- und Sehbehinderten in Studium und
Beruf (DVBS), Pro Retina Deutschland (PRDV) und Verband der
Blinden- und Sehbehindertenpaedagogen (VBS) mitgewirkt haben.

Mit freundlichen Gruessen
Ilona Schlegel

Kriterienkatalog fuer eine blinden- und sehbehindertengerechte
Gestaltung von Bahnanlagen und Reisezugwagen

Vorbemerkung

Auf dem Seminar fuer die Delegierten der DBSV-Landesvereine fuer
Umwelt und Verkehr vom 24. bis 26. Oktober 1997 im
Harz-Sanatorium "Hermann Schimpf" in Osterode war die Deutsche
Bahn AG mit zwei Referenten (Dr. Heyn und Herr Gores) zu dem
Thema "Behindertengerechte Gestaltung von Bahnanlagen und
Reisezugwagen" vertreten. Im Verlauf des aufschlussreichen
Referats wurde deutlich, dass die Deutsche Bahn AG bemueht ist, den
oftmals unterschiedlichen Wuenschen und Anspruechen aller Fahrgaeste
gerecht zu werden. Hierzu benoetigt sie jedoch Kriterien, die wie
eine Art Checkliste konkrete Massnahmen nennen, die ergriffen
werden muessen, um den Beduerfnissen der Reisenden zu entsprechen.
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband begruesst dieses
Anliegen und hat sich bemueht, die Wuensche Blinder und
Sehbehinderter im Verlauf einer Reisekette in Form konkreter
Anforderungen darzustellen. Hierzu konnte der DBSV auf Beschluesse
und Resolutionen seiner Gremien aus den vergangenen Jahren
zurueckgreifen. Der Kriterienkatalog wurde mit dem Gemeinsamen
Fachausschuss fuer Umwelt und Verkehr abgestimmt, in dem neben dem
DBSV auch die bundesweiten Selbsthilfeverbaende Deutscher Verein
der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS), Pro
Retina Deutschland (frueher Deutsche
Retinitis-Pigmentosa-Vereinigung) und der Verband der Blinden-
und Sehbehindertenpaedagogen (VBS) vertreten sind.

"Optimaler Kontrast":
Wenn in dem folgenden Kriterienkatalog fuer die blinden- und
sehbehindertengerechte Gestaltung von Bahnanlagen und
Reisezugwagen optimale Kontrastierung gefordert wird, so meint
dies einen dunklen Vordergrund auf hellem Untergrund (z. B.:
schwarz auf weiss, lila auf gelb). Detaillierte Hinweise und
wissenschaftliche Grundlagen zur Kontrastoptimierung finden sich
im "Handbuch fuer Planer und Praktiker zur buergerfreundlichen und
behindertengerechten Gestaltung des Kontrasts, der Helligkeit,
der Farbe und der Form von optischen Zeichen und Markierungen in
oeffentlichen Verkehrsraeumen und Gebaeuden" von Professor Dr.
Wilfried Echterhoff. Das bewaehrte und anerkannte Handbuch wurde
1996 vom Bundesministerium fuer Gesundheit herausgegeben.

"Blindenleitstreifen":
Fuer die im folgenden genannten Leitstreifen ist die
Normungsarbeit fuer die entsprechende DIN 32984 (Bodenindikatoren
im oeffentlichen Verkehrsraum) zur Zeit noch nicht abgeschlossen.
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband hat sich auf
seiner Verwaltungsratssitzung im November 1989 fuer eine
sinusfoermige Rillierung ausgesprochen und diesen Beschluss im Mai
1991 erneut bekraeftigt. Detailliertere Anforderungen an
Blindenleitsysteme wie Rillenplattenbreite usw. finden sich im
Kapitel 3.2 (Bahnhoefe, S.62ff) des "Handbuchs ueber die blinden-
und sehbehindertengerechte Umwelt- und Verkehrsraumgestaltung"
von Dipl. Ing. Volker Koenig (bei Verweisen in der Fussnote kurz
"Koenig-Handbuch" genannt)

In Deutschland leben ca. 155.000 blinde und eine halbe Million
sehbehinderte Menschen, die in besonderer Weise auf das Reisen
mit der Bahn angewiesen sind. Vor allem alleinreisende Blinde und
Sehbehinderte haben es schwer, sich auf Bahnhoefen und Reisezuegen
zu orientieren und koennen in Gefahrensituationen geraten, wenn
ihren speziellen Beduerfnissen nicht adaequat Rechnung getragen
wird.
Hierbei ist zu beruecksichtigen, dass die Massnahmen, die fuer blinde
und sehbehinderte Reisende erforderlich sind, auch fuer Sehende
von Vorteil sind: Uebersichtlichkeit, Einheitlichkeit in der
Bauweise, klare Struktur, gute Lesbarkeit, optimale Beleuchtung,
guter Kontrast (wozu auch eine entsprechend haeufige Reinigung von
Treppen, Bodenbelaegen etc. beitraegt) sowie gut verstaendliche
Ansagen auf den Bahnsteigen wie in den Zuegen und gute
Serviceleistungen kommen allen Reisenden gleichermassen zugute.
Diese Forderungen sind fuer Blinde und Sehbehinderte grundlegend
und gelten sowohl fuer die Zuege, als auch fuer die Bahnsteige und
die gesamte Bahnhofsanlage.
Die nachstehenden Ausfuehrungen beschraenken sich bewusst auf
oeffentlich zugaengliche Bahnanlagen sowie Personenzuege im
Nahverkehr (RB, SE) und im Fernverkehr (D, IR, IC, ICE, ICN).

Eine grundlegende und wichtige Massnahme zur Erleichterung des
Reisens mit der Bahn ist fuer Blinde und Sehbehinderte die
kostenfreie Mitnahme einer Begleitperson und/oder eines
Blindenfuehrhundes, die kostenlose Reservierung von Sitzplaetzen
sowie die Moeglichkeit, die Fahrkarte ohne Nachloesegebuehr waehrend
der Fahrt beim Schaffner zu kaufen. Diese Leistungen der
Deutschen Bahn AG werden nachdruecklich begruesst, wobei eine
bessere Schulung des Bahnpersonals bezueglich der
Reiseerleichterungen fuer Behinderte wuenschenswert waere, da man
hier noch haeufig auf Unkenntnis oder zumindest Unsicherheit
stoesst.

Welche Massnahmen sind geeignet, Blinden und Sehbehinderten das
Reisen mit der Bahn zu erleichtern?

1. Reisevorbereitung
Vor Reiseantritt informieren sich die Reisenden ueber den
Zugverlauf zum Reiseziel, ueber die Abfahrtszeiten und ueber den
Abfahrtspunkt. Fuer Blinde und Sehbehinderte sind diese
Vorbereitungen besonders wichtig, wobei sie eine Fahrt
bevorzugen, bei der sie moeglichst wenig umsteigen muessen, bzw.
bei Umsteigevorgaengen ausreichend Zeit zwischen Ankunft und
Weiterfahrt bleibt. Auch die (voraussichtlichen) Ankunfts- und
Abfahrtsgleise sind fuer sie von grosser Bedeutung. Generell sollte
das Bahnpersonal ueber die Belange Behinderter und damit auch
blinder und sehbehinderter Reisender informiert sein, um nicht
mit Ungeduld oder Unverstaendnis auf die besonderen Beduerfnisse
und den erhoehten Auskunftsbedarf zu reagieren.
Die telefonische Auskunft ueber die bundesweit einheitliche
Rufnummer, die persoenliche Beratung am Schalter, gut lesbare
Fahrplanaushaenge oder der Fahrplan auf elektronischem Datentraeger
sind fuer die Reisevorbereitung unverzichtbare Hilfen.

1.1.) Telefonauskunft
Die Leitungen sind oft stark ueberlastet, was erklaert, dass das
auskunftgebende Personal nicht selten unter Stress steht und
Auskuenfte nicht in der fuer Blinde und Sehbehinderte
erforderlichen Ausfuehrlichkeit und Sorgfalt erteilt. Fuer diesen
Personenkreis koennen Fehlinformationen jedoch drastischere Folgen
als fuer Sehende haben, da eine falsche Auskunft nicht durch die
Evidenz des Augenscheins korrigiert werden kann. Um die
benoetigten Auskuenfte mitzuschreiben oder auf Tontraeger
aufzunehmen, benoetigen Blinde und Sehbehinderte mehr Zeit als
Sehende. Dies und den erhoehten Stellenwert der telefonisch
erteilten Informationen sollte das auskunftgebende Personal
beruecksichtigen. Ueberdies ist eine bundeseinheitliche
Telefonnumer, die rund um die Uhr Auskunft ueber bekannte
Stoerungen im Zugverkehr und Fahrplanaenderungen gibt, ein
hilfreicher Service.

1.2.) Fahrplaene auf Datentraeger
Insbesondere fuer diejenigen Blinden und Sehbehinderten, die ueber
einen PC und das technische Know How verfuegen (zumeist die
juengere Generation), sind Fahrplaene auf elektronischem
Datentraeger ein gern genutzter Service. Diese bieten die
Moeglichkeit, die gewuenschten Auskuenfte zu hause, d. h. stressfrei
und in Ruhe in der bevorzugten Form abrufen zu koennen (ueber
Braillezeile, mittels Sprachausgabe oder Vergroesserungsprogramm am
Bildschirm). EDV-gestuetzte Fahrplaene bieten somit fuer Blinde und
Sehbehinderte eine gern genutzte Alternative, sich eigenstaendig
zu informieren. Um dieses Stueck Unabhaengigkeit nicht zu
verlieren, ist es notwendig, dass die Datentraeger auf DOS-Basis
verfuegbar sind. Programme mit grafischen Benutzeroberflaechen sind
fuer Blinde und Sehbehinderte schwer oder gar nicht zugaenglich, da
die notwendigen Loesungen durch ergaenzende Software derzeit noch
nicht befriedigend sind.

1.3.) Persoenliche Beratung am Schalter
Viele Reisende bevorzugen den persoenlichen Kontakt, um sich ueber
die bevorstehende Reise zu informieren oder um sich beraten zu
lassen. Der Kontakt von Mensch zu Mensch ist daher weder durch
gedruckten Text, automatisierte Telefonauskunft noch durch andere
Medien zu ersetzen, und die Auskunftschalter auf Bahnhoefen muessen
erhalten bleiben. Der Standort sollte nicht veraendert werden, um
die Orientierung zu erleichtern. Auf kleineren Bahnhoefen ergibt
sich oft die Schwierigkeit, dass Verkauf und Auskunft an einem
Schalter vereint sind. Durch die starke Frequentierung dieser
Schalter fehlt es dann oft an der noetigen Ruhe, und auch
Mitreisende ueben Druck aus. Auch hier hilft es, wenn das
Bahnpersonal gut geschult ist und um die Beduerfnisse seiner
Kunden weiss.

1.4.) Fahrplanaushaenge
Aushaengende Fahrplaene, Zuglaufanzeiger, Fahrgastinformationen
etc. koennen von Sehbehinderten genutzt werden. Sie bedienen sich
in der Regel eines Vergroesserungsglases, einer Lupe oder eines
Monokulars. Damit die Informationen mit diesen Hilfsmitteln
erkannt werden koennen, sind folgende Anforderungen zu
beruecksichtigen:
- Der Aushang darf nicht ueber Augenhoehe montiert sein.
- Die Schrift muss gross und kontrastreich gestaltet sein
(vorzugsweise serifenloser Schrifttyp wie z. B. Arial).
- Blend- und Spiegelwirkungen muessen ausgeschlossen werden.
- Der Ausdruck muss plan, d. h. ohne Wellenbildung montiert sein.
- Der sehbehinderte Fahrgast muss sich der Information bis auf
wenige Zentimeter naehern koennen, d. h. der Abstand zwischen Glas
und Ausdruck muss so gering wie moeglich und der Aushang muss gut
zugaenglich sein. Er darf nicht durch Baenke o. ae. verstellt sein.
- Ein Aushang der Fahrplaene im Querformat ist zweckmaessiger als im
Laengsformat, da Sehbehinderte (und auch Sehende) das Blatt nicht
komplett im Blickfeld haben. Dies kann durch eine
Standortaenderung zur Seite ausgeglichen werden, wohingegen die
Bewegung nach oben und unten nur begrenzt moeglich ist.

2. Fahrkartenkauf
Die zunehmende Automatisierung stellt fuer Blinde und
Sehbehinderte keine Erleichterung dar. Durch die Moeglichkeit,
Fahrkarten ohne Nachloesegebuehr im Zug zu kaufen bzw. die
kostenlose Befoerderung im besonders stark automatisierten
Nahverkehr ist ein Ausgleich zu den durch die zunehmenden
Ausstattung mit Fahrkartenautomaten verursachten Schwierigkeiten
gegeben.
Problematisch wird der Einsatz von Automaten jedoch dann, wenn
Auskunfts- und Fahrkartenschalter zusammengelegt sind und mit dem
Fahrkartenverkauf auch der Auskunftsservice eingeschraenkt wird.
Hier muss zumindest der individuelle telefonische Auskunftsdienst
waehrend der Betriebszeiten erhalten bleiben.

3. Gepaeckservice
Blinde und Sehbehinderte sind durch ihre
Mobilitaetseinschraenkungen in besonders starkem Mass auf die
Inanspruchnahme eines Gepaeckservices angewiesen. Der
Haus-zu-Haus-Service der Deutschen Bahn AG ist hier eine
willkommene Dienstleistung. Die Dienstzeiten zwischen 8.00 und
17.00 Uhr sind fuer Berufstaetige jedoch eine bedauerliche
Einschraenkung, die es oft erforderlich macht, zwei weitere
Urlaubstage fuer Gepaeckabholung und -lieferung einzuplanen. Eine
flexiblere Gestaltung der Dienstleistungszeiten wuerde diese
Reiseerleichterung noch attraktiver gestalten.

4. Unterwegs

4.1.) Bahnhoefe und Bahnanlagen(2)
Um Blinden und Sehbehinderten die Orientierung auf Bahnhoefen zu
erleichtern, sind eine klare, uebersichtliche Struktur, eine
grosse, kontrastreiche Beschriftung(3) und optimale Beleuchtung(4)
unverzichtbar. Dies gilt insbesondere auch fuer die
Stationsschilder an Bahnhoefen, die ausreichend gross beschriftet
und gegebenenfalls beleuchtet sein sollten, damit jeder Fahrgast
sich schnell und leicht orientieren kann, auf welchen Bahnhof er
einfaehrt.
In den Gebaeuden sollten Schwingtueren vermieden werden, da sie
eine Verletzungsgefahr darstellen. Auch Sensortasten stellen eine
Barriere fuer Blinde und Sehbehinderte dar, weil sie kaum
ertastbar und daher insbesondere fuer Blinde unauffindbar sind.
Hindernisse, die eine Stolper- oder Verletzungsgefahr in sich
bergen, muessen fuer Sehbehinderte kontrastreich gestaltet und fuer
Blinde so gesichert werden, dass sie rechtzeitig mit dem Langstock
erkannt werden. Dies kann z. B. durch einen Sockel und ggf.
Kantenschutz geschehen. Die auf vielen Bahnhoefen aufgestellten
"Blechkameraden", die als Informationstraeger ueber
Serviceleistungen u. ae. informieren, stellen ohne Sockel und ohne
Kantenschutz fuer Blinde eine grosse Gefahr dar, weil sie mit dem
Blindenlangstock unterlaufen werden koennen und ueberdies scharfe
Kanten aufweisen.
Um die wichtigsten Anlaufpunkte wie Treppen, Taxistaende,
Bahnsteige, Servicepoints usw. auffinden zu koennen, benoetigen
Blinde ein Blindenleitsystem, das durch Bodenindikatoren eine
taktile Orientierung ermoeglicht. Wenn sich die
Blindenleitstreifen nicht nur durch das Material, sondern auch
farblich vom uebrigen Bodenbelag abheben, bieten sie auch
Sehbehinderten eine gute Orientierung. Blindenleitstreifen muessen
gut ertastet werden koennen, rutschfest sein und ueber einen taktil
wie farblich kontrastierenden Begleitstreifen verfuegen.
Aufmerksamkeitsfelder weisen auf Treppen oder markante Punkte
hin. Eine exponierte Bedeutung kommt den Blindenleitstreifen an
den Gleisen zu, da sie hier nicht nur der Orientierung, sondern
auch der Sicherheit dienen. Blinde und Sehbehinderte koennen mit
ihrer Hilfe den notwendigen Sicherheitsabstand zu den Bahngleisen
einhalten, ohne sich der Gefahr auszusetzen, die Bahnsteigkante
zu verfehlen und auf die Gleise zu stuerzen. Die Kanten von
Treppenstufen muessen kontrastreich abgesetzt werden. Bereits das
Anbringen je eines weissen Streifens an der ersten und letzten
Stufe bei dunklen Treppen, bzw. von dunklen Streifen bei hellen
Treppen bietet fuer Sehbehinderte eine Erhoehung der Sicherheit(5).
Handlaeufe an Treppen sollten vor der ersten bzw. nach der letzten
Stufen beginnen bzw. enden.(6)
An Handlaeufen von Treppen, die zu Gleisen fuehren, sind erhaben
angebrachte Nummern der Gleise eine wertvolle Orientierungshilfe
fuer Blinde.
Aufzuege duerfen keine Sensortasten haben, sondern muessen Taster
mit kontrastierenden, tastbaren Zeichen (auf-, abwaerts,
Stockwerkangabe) aufweisen. Allerdings koennen die erhabenen, gut
tastbaren Ziffern und Symbole, bzw. die Blindenschrift auch neben
den Tastern angebracht werden. Akustische Signale (z. B.
Glockentoene beim Erreichen einer Ebene und beim Oeffnen der Tueren)
erleichtern Blinden die Benutzung(7).
Ansagen stellen fuer Blinde und Sehbehinderte unverzichtbare
Informationsquellen dar. Die Ansagen auf Bahnhoefen muessen daher
laut und klar verstaendlich sein. Die Ansage auf dem Bahnsteig,
die ueber den einfahrenden Zug und seine Anschlussverbindungen
informiert, sollte zum Standard gehoeren. Wird die Ansage erst
gemacht, wenn der ankommende Zug zum Stehen gekommen ist, kommt
sie auch den aussteigenden Fahrgaesten zugute.
Taktile Plaene zur Bahnhofsanlage einschliesslich eines
Uebersichtsplanes der unmittelbaren Umgebung und des
Verkehrsverbundes sind fuer blinde Reisende wuenschenswert.
Die Beruecksichtigung der Belange blinder und sehbehinderter
Reisender kann zudem sichergestellt werden, wenn deren
bundesweite Interessenvertretung in die Planung des Um- und
Neubaus von Bahnhoefen einbezogen wird.

4.2.) Reisezugwagen
Reisezugwagen sollten von aussen wie innen kontrastreich und
uebersichtlich gestaltet sein. Eine einheitliche Bauart und
Ausstattung sind nicht nur fuer Blinde und Sehbehinderte eine
Erleichterung, um sich in den Zuegen zurechtzufinden.
Fuer Sehbehinderte erleichtern kontrastreich gestaltete Griffe
oder Taster das Auffinden der Wagentuer bzw. ihrer
Oeffnungsvorrichtung. Fuer Blinde stellen Tueren, die sich nicht
mehr von der Wagenwand abheben und nur durch plane Sensortasten
zu oeffnen sind, eine Huerde beim Einsteigen dar. Sensortasten
sollten wie bei Aufzuegen grundsaetzlich vermieden werden, da die
Taster nicht mehr taktil wahrgenommen werden koennen und fuer
Blinde unauffindbar bleiben. Sofern bei der Oeffnungsvorrichtung
fuer Wagentueren auf Sensortasten nicht verzichtet werden kann, ist
ein (europaweit gueltiges) Signal zum Auffinden des Tueroeffners
vorzusehen, das sich eindeutig und unverwechselbar von dem
Tuerschliesssignal unterscheidet und der Lautstaerke der Umgebung
anpasst.
Soweit Stufen ueberhaupt noch erforderlich sind, duerfen sie kein
Hindernis beim Einsteigen sein. Sie sollten deshalb von
einheitlicher, gut ueberwindbarer Hoehe(8) mit farblich markierten
Kanten und beleuchtet sein. Gittertreppen sollten nicht zum
Einsatz kommen, da sie das Einsteigen mit Blindenfuehrhund oder
Langstock erschweren, wenn nicht gar zu einer Gefahr werden
lassen. Die Spitze des Langstocks kann sich im Gitter verhaken,
waehrend fuer den Blindenfuehrhund die Gefahr besteht, mit der Pfote
haengenzubleiben und sich zu verletzen.
Einstiegsspalten zwischen Bahnsteig und Wageneinstieg sowie
Einstiegsstufen muessen wegen der Sturzgefahr minimiert werden.
Das Zugpersonal sollte dafuer sensibilisiert sein, behinderten
oder mobilitaetseingeschraenkten Reisenden Hilfe beim Ein- oder
Aussteigen anzubieten.
Der Freiraum unter den Sitzen sollte so hoch und so weit wie
moeglich bemessen sein, um ihn z. B. als Liegeplatz fuer einen
Blindenfuehrhund nutzen und so die Beeintraechtigung von Fahrgaesten
gering halten zu koennen.
Um den Einstieg in die Wagen sowie die Orientierung zu
erleichtern, sind senkrechte und schraeg verlaufende Haltestangen
am Einstieg und im Einstiegbereich sowie horizontal verlaufende
Stangen laengs der Gaenge unerlaesslich.
Das Schwerbehindertenabteil bzw. die Schwerbehindertenabteile
sollte bzw. sollten in jedem Zug an derselben Position im
Zugverlauf zu finden sein oder bei der Bahnhofsansage genannt
werden. Ein Schwerbehindertenabteil sollte auch in der ersten
Klasse vorhanden sein.
Die Wege durch die Reisezugwagen sollten geradlinig und klar
strukturiert sein, "Slalomwege" sind ebenso zu vermeiden wie
Spiegel oder verspiegelte Glastueren, die fuer Sehbehinderte eine
Irritation darstellen, da sie einen entgegenkommenden Fahrgast
vermuten. Auch die Glastueren in modernen Reisezugwagen, die sich
automatisch, aber mit Verzoegerung oeffnen, sind insbesondere fuer
Sehbehinderte problematisch, da diese die Tuer nicht wahrnehmen
und so Gefahr laufen dagegenzustossen. Durch Entspiegelung der
Glastueren und durch eine optisch auffaellige Kennzeichnung in
Augen- und Kniehoehe ist dieser Gefahr entgegenzuwirken.
Die Beschilderung in den Abteilen muss gross, deutlich und
kontrastreich sein. Insbesondere die Reservierungsschilder sind
oft auch fuer Sehende nur muehsam zu entziffern. Wenn die
Beschilderung ueberdies mit erhabenen, gut tastbaren Platznummern
gestaltet ist, erleichtern diese auch Blinden das Auffinden ihrer
Sitzplaetze.
Unverzichtbar fuer Blinde und Sehbehinderte sind die deutlichen,
gut verstaendlichen Ansagen der Haltepunkte und
Anschlussverbindungen in den Zuegen. Die Durchsage dieser
Informationen muss auch und gerade in den Nahverkehrszuegen
gewaehrleistet sein. Eine Ansage der Ausstiegsseite ist fuer Blinde
und Sehbehinderte von zentraler Bedeutung, da sie den Bahnsteig
nicht erkennen koennen und die Wahl der falschen Ausstiegsseite
eine folgenschwere Gefaehrdung darstellt. Sofern eine Ansage der
Ausstiegsseite aufgrund moeglicher kurzfristiger Aenderung des
Einfahrtsgleises nicht moeglich ist, muessen die dem Bahnsteig
abgewandten Tueren automatisch verriegelt werden. Wuenschenswert
ist ueberdies eine Ansage, die darueber informiert, wenn der Zug
auf freier Strecke haelt.
Bedienelemente jeder Art (Knoepfe, Schalter, Griffe) sollten
einheitlich, kontrastierend und erhaben gestaltet sein, so dass
Sehbehinderte sie wahrnehmen und Blinde sie ertasten koennen. Dies
gilt auch fuer die Toiletten, die in neuen Wagen fuer diesen
Personenkreis oft nicht mehr bedienbar sind, weil die Spuelung
oder der Wasserhahn nicht mehr aufgefunden werden kann.
Auch fuer Reisezugwagen gilt, dass die Beruecksichtigung der Belange
blinder und sehbehinderter Reisender sichergestellt werden kann,
wenn deren bundesweite Interessenvertretung in die Planung
einbezogen wird.

4.3.) Umsteigen
Das Umsteigen und das Erreichen des Anschlusszuges in der zur
Verfuegung stehenden Zeit stellt fuer Blinde und Sehbehinderte auch
bei optimaler Vorbereitung und Information eine groessere
Anstrengung als fuer sehende Fahrgaeste dar. Die Bahnhofsmissionen
werden in diesem Zusammenhang gerne in Anspruch genommene, da sie
Blinde und Sehbehinderte beim Umsteigen begleiten. Die Deutsche
Bahn AG sollte sich fuer den Erhalt dieser Einrichtungen einsetzen
und den DBSV ueber die Oeffnung bzw. Schliessung von
Bahnhofsmissionen informieren, damit dieser sein Verzeichnis der
Bahnhofsmissionen aktualisieren und an seine Mitglieder
weitergeben kann. Wo keine Bahnhofsmission vorhanden ist, sollte
das Servicepersonal dafuer sensibilisiert sein, Blinden und
Sehbehinderten Hilfe anzubieten und sie gegebenenfalls zu ihrem
Anschlusszug zu begleiten. Eine telefonische Absprache vor
Reiseantritt wie bei der Bahnhofsmission, bei der der blinde oder
sehbehinderte Fahrgast sein Eintreffen und seinen Wunsch nach
Hilfestellung mitteilt, ist auch fuer die Service-Points der
Deutschen Bahn eine unverzichtbare Reiseerleichterung.

5. Sonstiges
Tandemfahren ist fuer viele Blinde und Sehbehinderte ein
attraktiver Freizeitsport. Neben der Mitnahme von Fahrraedern, wie
sie in vielen Zuegen moeglich ist, sollte auch die Moeglichkeit
bestehen, ein Tandem mitzufuehren oder es bei laengeren Reisen
aufzugeben.

Unbeschrankte Bahnuebergaenge, die nur durch ein Lichtsignal die
Vorbeifahrt eines Zuges anzeigen, sind fuer Blinde und
Sehbehinderte eine Gefahrenquelle. Beschrankte Bahnuebergaenge sind
aus Gruenden der Sicherheit zu bevorzugen. Unbeschrankte
Bahnuebergaenge muessen zusaetzlich zu einem Lichtsignal durch ein
akustisches Fussgaengerwarnsignal gesichert werden.

Stand: September 1998

1 Seit dem Verbandstag 1998 (25. -27.6.) heisst der Deutsche
Blindenverband (DBV) Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband
e. V., Spitzenverband in der Bundesrepublik Deutschland (DBSV)
2 Siehe auch Koenighandbuch, Seite 62ff, Kapitel 3.2, Bahnhoefe
3 Siehe Koenighandbuch, Seite 83 f, Kapitel 3.2.5.1 Optische
Informationen
4 Siehe Koenighandbuch, Seite 79, Kapitel 3.2.4.5 Beleuchtung
5  Siehe DIN 18024/1 "Barrierefreies Bauen - Strassen, Plaetze,
Wege oeffentliche Verkehrswege und Gruenanlagen und deren
Ausstattung und Planungsgrundlage"
6 Die DIN 18024/1 nennt hier 30 cm.
7 Die DIN 18024, Barrierefreies Bauen (oeffentlich zugaengliche
Gebaeude und Arbeitsstaetten und Planungsgrundlagen) beschreibt die
Anforderungen an automatische Ansagen in Aufzuegen.
8 siehe Koenig-Handbuch Kapitel 3.2.4.6. Einstiegstufen und
-spalten, S. 80 ff