Re: Braille-Sound-Verbund

[whubert.stuttgart_bEi_t-online.de (Wolfgang Hubert)]

Hallo zusammen,

als ich - durch die fortschreitende Spaeterblindung bedingt - vor einiger
Zeit den Umgang mit Screenreadern erlernen musste, war ich zunaechst ziemlich
gefrustet ueber die mangelnde Lesegeschwindigkeit an der Braillezeile. Dies
schien aber das einzige Mittel zu sein, um beruflich am PC sinnvoll arbeiten
zu koennen. Die Sprachausgabe kommt in der Blindenpaedagogik offenbar etwas zu
kurz, da es mitunter schwierig ist, Gruppenunterricht bei vielen
durcheinanderquatschenden Sprachausgaben durchzufuehren.

Ich war allerdings sehr erleichtert, als ich die ersten "Gehversuche" mit
einer Sprachausgabe am PC machte, denn mir war bald klar: dadurch geht
vieles schneller (gilt das auch fuer Braille-Profis, die fast so schnell
lesen wie ein Schwarzschriftleser?).

Um meine Erfahrungen mit dem Braille-Sound-Verbund auf einen Nenner zu
bringen:
Wenns schnell gehen muss, hat die Sprachausgabe Vorrang, wenns genau sein
muss, die Braillezeile. Also: Texte lesen mit der Sprache, aber Texte
schreiben mit der Braillezeile.

Besonders noetig habe ich die Braillezeile beim Programmieren. Wenn ich z.B.
C++-Code bearbeite, mit seinen vielen Sonderzeichen ([]++*{}.,::// usw.),
dann muss ich die Braillezeile nehmen, um nicht wahnsinnig zu werden. In
Amiland, wo "Speech friendly" das "A und O" zu sein scheint, gibt es sicher
mehr Programmierer, die alleine mit der Sprachausgabe arbeiten, aber
angenehm ist das sicher nicht.

Meinen ersten grossen Aha-Effekt bzgl. der Kombination aus Sprache und
Braille hatte ich bei den Standard-Windows-Dialogen, wie z.B. "Windows hat
sich aufgehaengt. Wollen Sie sich auch aufhaengen? Ja Nein Abbrechen"
(Beispiel frei erfunden). Die Sprache liest die Frage vor und die
Braillezeile zeigt die Buttons an - noch waehrend die Sprache liest suchen
die Finger den passenden Button ...

Ich denke, dass man noch viel mehr solcher sinnvollen
Kombinationsmoeglichkeiten ausnutzen koennte. Aber dieser "Feinschliff" bei
den Screenreadern kostet viel Zeit, die bei den Herstellern knapp ist.

Wenn ich ueber 1,5 Mio DM entscheiden duerfte, wuerde ich sagen: steckt das
Geld in die Verbesserung bereits vorhandener Screenreader. Ich habe schon
genug Laerm am Arbeitsplatz und dann soll ich mich auch noch auf Stereo- oder
Quadrophonie konzentrieren? Bitte nicht!

Herzliche Gruesse

Wolfgang Hubert
__________________________________________________
Phone: +49 (0) 7 11 - 8 89 36 08 | E-Mail: whubert_bEi_gmx.de
Internet: http://home.t-online.de/home/whubert.stuttgart/