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Re: Offener Brief an Bundeskanzler Schroeder gegen nichtbehinderten Be



Hallo Matthias,

Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung soll die Belange der
Behinderten vertreten. Wenn Behinderte in unserer Gesellschaft so
selbstverstaendlich als gleichberechtigte Buerger akzeptiert wuerden,
wie wir uns das wuenschen, dann brauchte man keinen
Behindertenbeauftragten. Aber leider ist das nicht so. Es geht uns
darum, dass viele Nichtbehinderte die Problemstellungen von Behinderten
nicht nachvollziehen koennen, deshalb ist es auch schwierig, dass sie
deren Interessen vertreten.

Und dann kommt noch hinzu, dass Behinderte von vielen Menschen
grundsaetzlich als betreute Menschen, also unselbstaendige Menschen
angesehen werden. Es ist doch in den Augen vieler nett und lieb, wenn
die Bundesregierung also sozusagen einen Bundesbetreuer ernennt, man
kuemmert sich also um uns. Dass wir aber selbst auch politisch taetig
werden koennen, dass wir unsere Belange selbst vertreten koennen, dass
glauben viele nicht. Behindertenarbeit hat in unserem Land eine lange
tradition der Allmosenarbeit und des Wegsperrens, aber sicherlich nicht
des natuerlichen Umgangs. Wenn wir also, ohne dass mit den
Behindertenverbaenden Ruecksprache genommen wurde, einen
Behindertenbeauftragten akzeptieren, dann liefern wir uns wieder aus der
Fuersorge des Staates.

Ich sehe das nicht in allen Punkten grundsaetzlich so krass, wie gerade
beschrieben, aber das ist schon eine grundsaetzliche Sache. Natuerlich
ist es nicht zwingend geboten, dass ein Behindertenbeauftragter
behindert sein muss, aber er muss doch akzeptiert sein von denen, dessen
Interessen er vertreten soll. Er muss sich in ihre Lage versetzen
koennen. Es ist ja auch nicht unbedingt geboten, dass eine Frau
Frauenbeauftragte wird, oder doch? Ich glaube, die meisten Frauen
wuerden mit recht sagen, dass sie sich eine Frau wuenschen wuerden. Otto
Regenspurger, der letzte Behindertenbeauftragte des Bundes (CSU) wurde
zum vollstrecker und verteidiger der Kohlschen Sparpolitik. Ein Otmar
Miles-Paul, nur ein Beispiel (Geschaeftsfuehrer der interessenvertretung
selbstbestimmt leben in deutschland e. V.) wuerde nicht einfach nur
abnicken. Darum geht es.

In anderen Laendern, in denen der Umgang mit Behinderten natuerlicher
ist, da haettest du meiner Ansicht nach recht. Aber so fortschrittlich
ist es noch nicht in Deutschland. Und ich glaube, dass in anderen
Laendern, wie z. B. in den USA, wo es bereits
antidiskriminierungsregelungen fuer Behinderte gibt, niemand auf die
Idee kaeme, einen Behindertenbeauftragten zu benennen, der nicht selbst
in irgendeiner Weise betroffen ist. Und letztlich: Wenn du in deiner
Firma arbeitest, dann wuerdest du dir doch auch nicht wuenschen, dass
die Geschaeftsleitung bestimmt, wer Betriebsrat werden soll, oder? Und
wenn sie dann noch einen aus ihrer Reihe nehmen wuerde, dann wuerdest du
doch auch nicht glauben, dass deine Interessen vertreten werden.

Alles Gute

Jens

-- 
Jens Bertrams
http://stud-www.uni-marburg.de/~Bertrams/home.htm
Behinderte in Gesellschaft und Beruf e. V.:
    http://www.bigub.com
    email: jens.bertrams_bEi_pobox.com