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Sehen in Daemmerung



Nature Publikation vom 8.4.: "Seeing Movement in the Dark"

Fehler in der Schaetzung von Geschwindigkeiten bei Daemmerung und Nacht

Am 8. April wird in der renommierten Wissenschaftszeitschrift "Nature" ein
Beitrag der Tuebinger Forscher Karl Gegenfurtner (Max-Planck-Institut fuer
biologische Kybernetik Tuebingen), Helmut Mayser (Universitaets-Augenklinik
Tuebingen, Abt. fuer Pathophysiologie des Sehens und Neuroophthalmologie) und
Lindsay Theodor Sharpe (Universitaets-Augenklinik Tuebingen, Abt. fuer
Pathophysiologie des Sehens und Neuroophthalmologie ) zum Thema "Seeing
Movement in the Dark" erscheinen.

Die Autoren Mayser und Sharpe sind in der Forschungsstelle fuer
Ex-perimentelle Ophthalmologie der Universitaets-Augenklinik Tuebingen taetig.

Bei dem Forschungsprojekt ging es darum, das Bewegungssehen der
verschiedenen Typen von Lichtempfaengern in der Netzhaut zu untersuchen. In
der Netzhaut des Menschen befinden sich etwa 110 Mio. sog.
Staebchenphotorezeptoren, die vornehmlich fuer Daemmerungs- und Nachtsehen
zustaendig sind und keinen Beitrag zum scharfen Sehen im Zentrum und zum
Farbensehen liefern. Fuer die Funktionen des Scharfsehens und Farbensehens
befinden sich zusaetzlich 6 Mio. sog. Zapfen-rezeptoren an der schaerfsten
Stelle des Sehens, also in der sog. Makula, der Netzhaut des Auges.

Die Autoren haben festgestellt, dass die Geschwindigkeit, die ein Mensch ueber
seine Staebchenphotorezeptoren bei Daemmerung und Nacht wahrnimmt, um dreissig
Prozent geringer eingeschaetzt wird als die Wahrnehmung der Bewegung der
gleichen Objekte, wenn sie ueber den Zapfenmechanismus des Auges erfolgt.

Dies hat natuerlich wichtige Bedeutung z.B. fuer Autofahrer bei Nacht, aber
auch bei jeglicher Erkennung von Bewegung (z.B. Tennisspielen bei schlecht
ausgeleuchtetem Tennisplatz). Da sich die Staebchen in der Peripherie finden,
wird ein sich auf den Autofahrer zu bewegendes Auto, das mit dem
staebchendominierten Teil der Netzhaut gesehen wird, in seiner
Geschwindigkeit deutlich unterschaetzt. Da die Autofahrer bei Nacht staendig
zwischen Zapfen- und Staebchensehen wechseln muessen, naemlich vom Zapfensehen
im Bereich des Scheinwerferkegels zum Staebchensehen in Bereichen ausserhalb
des Scheinwerferkegels, ist durch die besondere Verarbeitung der Neurone des
Auges ein Fehler in der Schaetzung von Geschwindigkeiten bei Daemmerung und
Nacht praktisch "fest verdrahtet eingebaut". Autofahrer sollten dies wissen,
ebenso wie andere Berufe, die bei wechselnden Helligkeiten bewegte Objekte
erkennen muessen, etwa Hubschrauberpiloten.

Die Ergebnisse haben deshalb eine Reihe von Konsequenzen fuer die Sicherheit
im Strassen- und Flugverkehr. Es ist durchaus moeglich, dass zukuenftige Studien
weitere Unterschiede in der Entwicklung des Bewegungssehens zeigen, wenn die
Netzhaut des Auges von degenerativen Prozessen oder Stoffwechselstoerungen
betroffen ist.

Die Autoren werden einen DFG-Antrag stellen, um die Bedeutung des
Bewegungssehens, das derzeit vom Augenarzt nicht getestet werden kann und
auch von den Fuehrerscheinstellen und anderen mit der Ver-kehrsmedizin
befassten Stellen nicht geprueft wird, bei verschiedenen Erkrankungen der
Netzhaut zu untersuchen. Dabei werden sog. "virtual reality Bedingungen",
d.h. computergesteuerte Szenen, zu denen das Max-Planck-Institut ueber
besondere Einrichtungen verfuegt, herangezogen werden.

Ansprechpartner fuer naehere Informationen:

Universitaetsklinikum Tuebingen, Augenklinik
Aerztlicher Direktor Prof. Dr. med. Eberhart Zrenner
Tel. 0 70 71 / 29-8 47 86, Fax 0 70 71 / 29-50 38

Prof. Dr. phil. Lindsay Sharpe
Forschungsstelle fuer Experimentelle Ophthalmologie
Tel. 0 70 71 / 29-8 37 34, Fax 0 70 71 / 29-52 71
email: ted.sharpe_bEi_uni-tuebingen.de


Wolf-Dietrich Trenner
Foerdergemeinschaft fuer Taubblinde e.V.
http://selbsthilfe.seiten.de