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Sehprothesen lassen Blinde wieder sehen
- Subject: Sehprothesen lassen Blinde wieder sehen
- From: "Wolf-Dietrich Trenner" <taubblind_bEi_post.de>
- Date: Wed, 22 Apr 1998 14:02:48 +0200
Freundinnen und Freunde,
das wollte ich Euch nicht vorenthalten. Nun koennen also bald die Blinden
wieder sehen. Na ja, sagt der Sozialpolitiker, dann koennen wir ja das
Blindengeld ganz streichen.
Sarkastischen Gruss, denn ich bin auf dem Weg zu einer Konferenz im
Finanzministerium,
Wolf-Dietrich Trenner
Foerdergemeinschaft fuer Taubblinde e.V.
http://selbsthilfe.seiten.de
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Wed, 22 Apr 1998 10:55:01
Neurotechnologisches Forschungsprojekt an Markteinfuehrung orientiert
Nach nur drei Jahren interdisziplinaerer Zusammenarbeit wird bald der
weltweit erste Prototyp einer Sehprothese verfuegbar sein. Im Jahr 2001,
so
der Sprecher und Koordinator des straff organisierten Projekts, Prof. Dr.
Rolf Eckmiller, Neuroinformatiker der Bonner Universitaet, soll die
elektronische Netzhaut bereits bei Blinden implantiert werden koennen.
Insgesamt 14 deutsche Wissenschaflergruppen, Informatiker, Technologen,
Biologen und Mediziner arbeiten an diesem neurotechnologischen
High-Tech-Produkt, mit dem sich Deutschland an der Weltspitze etablieren
koennte.
Doch nicht nur mit ihrem Produkt, auch mit der Realisation des Projekts
beschritten die Wissenschaftler Neuland: Sie hatten von Beginn an nicht
nur
den Forschungspart im Blick, sondern kalkulierten auch Kosten und
Zeitplan
bis zur Markteinfuehrung und arbeiteten eng mit Betroffenen und deren
Organisationen zusammen. Rechnet man die Foerdermittel des
Bundesforschungsministeriums und die Mittel aus der universitaeren
Grundfinanzierung fuer einen Entwicklungszeitraum von zehn Jahren
zusammen,
so kommt man nur auf die Haelfte der benoetigten rund 60 Millionen. Was
jetzt gebraucht wird, so Eckmiller, ist Risikokapital, um in die Phase
der
Produktentwicklung eintreten zu koennen. Patentanmeldungen, eine wichtige
Voraussetzung fuer die Geldgeber, sind bereits im Gange. Darueber hinaus
wurde konsequenterweise vor knapp zwei Wochen die gemeinnuetzige Stiftung
Retina Implant gegruendet sowie eine Firma, die die kommerzielle
Verwertung
vorbereitet.
An Patienten, soviel ist klar, duerfte kein Mangel bestehen, leiden doch
europaweit ca. 600.000 Menschen an unheilbaren Erkrankungen der Netzhaut
wie
Retinitis Pigmentosa oder Makula Degeneration. Bei diesen Erkrankungen
kommt
es zunaechst zu einem Verlust an Farb- und Kontrastwahrnehmung,
Nachtblindheit, Einengung des Gesichtsfeldes bis zur voelligen Erblindung.
Ursache dafuer ist, dass die lichtempfindlichen Zellen in der obersten
Schicht des Netzhautgewebes verkuemmern. Sie liefern deshalb immer
schlechtere Hell/Dunkel bzw. Farbinformationen an die dahinterliegenden
Nervenzellen. Normalerweise werden die Informationen von dort in Form
elektrischer Impulse an das Gehirn weitergeleitet und zur Wahrnehmung
verarbeitet. Erhalten die Nervenzellen der Netzhaut nun keine sinnvollen
Informationen, koennen sie auch keine Bildinformationen mehr
weiterleiten -
der Mensch erblindet.
Bei der Sehprothese nutzt man den Umstand, dass lediglich die
lichtempfindlichen Zellen geschaedigt sind, waehrend der uebrige ”
Sehapparat” funktionsfaehig ist. Man entwickelte deshalb ein System,
das
sich in die komplexe Art der biologischen Informationsuebertragung
einfuegt
und die intakten Nervenzellen der Netzhaut biologisch adaequat stimuliert.
Dazu uebertraegt eine Art intelligente Minikamera, die in einer Brille
untergebracht ist, drahtlos Informationen an eine an der Netzhaut, der
Retina, implantierte Mikrokontaktfolie. Diese sehr weiche und duenne
Folie
wird chirurgisch in die Zone der Nervenzellen am Netzhautausgang plaziert.
Mit Hilfe dieser Sehprothese, Retina-Implantat plus
”Aufnahmegeraet”, werden
Blinde zumindest groessere Gegenstaende wahrnehmen und alsGestalt
erkennen
koennen. Die Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von
Gestaltwahrnehmung. Was auf den Normalsichtigen eher ernuechternd wirkt,
bedeutet fuer die Betroffenen nach eigenen Aussagen einen Quantensprung,
naemlich die Moeglichkeit, sich problemlos in unbekannter Umgebung
orientieren zu koennen.
Neuroprothesen koennten kuenftig auch in anderen Faellen Hilfe und
Entlastung fuer die Betroffenen bringen: Fuer Taube [*], deren aeusseres
Hoersystem defekt ist oder in Form einer Greifprothese fuer
Querschnittgelaehmte. Die Neurotechnologie, kurz die Anwendung von
Informationstechnologie auf implantierbare intelligente Einheiten, ist
eine
noch junge, vor allem aber eine interdisziplinaere Wissenschaft. So waren
bei der Entwicklung der Sehprothese neben der Informationsverarbeitung
und -uebertragung auch Fragen der Implantation, der Befestigung der
Kontaktfolie, der Wundheilung und Materialvertraeglichkeit zu klaeren.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Rolf Eckmiller,
Tel.: 0228 - 73 44 22
e-mail: rolf.eckmiller_bEi_nero.uni-bonn.de
http://www.nero.uni-bonn.de/
[*] die Betroffenen nennen sich lieber Gehoerlose. Und die waren im
Gegensatz zu anderen Organisationen nach eigener Darstellung auch nicht
gefragt worden.
P.S.: Solche Nachrichten und mehr gibt es auf der Homepage
http://selbsthilfe.seiten.de/presse0.htm (4 Helme von Bobby) fast
taeglich
aktualisiert.