[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
Offener Brief an Bundeskanzler Schroeder gegen nichtbehinderten Behindertenbeauftragten (fwd)
- Subject: Offener Brief an Bundeskanzler Schroeder gegen nichtbehinderten Behindertenbeauftragten (fwd)
- From: jens.bertrams_bEi_pobox.com (Jens Bertrams)
- Date: Fri, 27 Nov 1998 18:11:09 +0100
Hallo Fblinu-members,
ich moechte euch wirklich nicht auf die Nerven gehen, denn ich weiss ja,
wofuer diese Liste eigentlich gedacht ist. Aber diese Frage hier geht
alle Behinderten etwas an.
Seid also bitte etwas nachsichtig mit mir und lest auch diese Nachricht,
die ich vor wenigen Stunden in de.soc.handicap veroeffentlichte.
Danke
Jens
-------- Forwarded message --------
Newsgroups: de.soc.handicap
Hallo zusammen!
Auf Anregung des BiGuB e. V. wurde in den letzten Tagen ein offener
Brief an Bundeskanzler Schroeder verfasst, der sich gegen die Berufung
eines nichtbehinderten Bundestagsabgeordneten zum
Behindertenbeauftragten der Bundesregierung wendet. Mehrere grosse
Verbaende haben bereits ihre Zustimmung erkennen lassen. Diesen Brief
moechte ich hier *intern* veroeffentlichen. Er kann noch bis zum 1.
Dezember 23.30 Uhr von jedermann unterschrieben werden. Zum 3. Dezember,
dem Welttag der Behinderten, soll er dem Bundeskanzler zugehen. Wir
wollen es uns nicht laenger gefallen lassen, dass die Bundesregierung
zehn Prozent der Bevoelkerung als Betreuungsobjekte betrachtet.
Ich bitte euch also alle, den unten stehenden Brief zu lesen und mir im
Falle eurer Zustimmung eine Email zu senden mit folgenden Angaben:
Name:
Ort:
Verband:
Funktion:
Emailadresse:
Verband und Funktion muessen bei Privatpersonen natuerlich nicht
ausgefuellt werden.
Der Brief kann auch online unterschrieben werden auf den BiGuB-Seiten:
http://www.bigub.com
Rubrik Behindertenpolitik
unterrubrik Protest gegen Behindertenbeauftragten.
Vielen Dank fuer eure Aufmerksamkeit.
--cut here--
Offener Brief
an
Bundeskanzler Gerhard Schroeder
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
mit Enttaeuschung haben wir - Behinderte und VertreterInnen von
Behindertenverbaenden - die Berufung des SPD-Bundestagsabgeordneten
Haack zum Behindertenbeauftragten zur Kenntnis genommen. Mit dieser
Personalentscheidung hat die Bundesregierung unseren Bemuehungen
zur Gleichstellung Behinderter in der Gesellschaft leider eine
schallende Ohrfeige erteilt.
Seit Jahren machen Behinderte immer wieder die Erfahrung,
dass wohlmeinende Nichtbehinderte sie - leider oft von oben herab -
"betreuen". Die Behindertenselbsthilfe setzt dieser
althergebrachten Praxis die Vertretung der Interessen Behinderter
durch Betroffene entgegen. Die Besetzung des Postens eines
Behindertenbeauftragten muss nach diesem Konzept unbedingt durch
eine selbst von Behinderung betroffene Persoenlichkeit erfolgen.
Nur ein Behinderter weiss, welche offenen und versteckten
Diskriminierungen Behinderte tagtaeglich erleben.
In der Wahlentscheidung vom 27. September sehen wir eine Absage
der Buergerinnen und -buerger an die "Politik der sozialen
Kaelte", wie sie uns die "konservativ-liberale" Bundesregierung 16
Jahre lang aufgezwungen hat. Sie und ihre Koalition verdanken ihre
Macht also auch uns, den 8 Millionen Bundesbuergerinnen und -
buergern mit anerkannter Schwerbehinderung sowie unseren
Angehoerigen!
Wir erwarten von Ihnen eine neue, sozial gerechtere
Politik. Wir erwarten, dass sie ernsthafte Anstrengungen zur
Gleichstellung Behinderter in Alltag, Berufsleben und Gesellschaft
unternehmen.
Der Glaubwuerdigkeit solcher Anstrengungen steht die Berufung eines
Nichtbehinderten zum Behindertenbeauftragten diametral entgegen.
Das kommt uns vor, als ob ein Mann zur Frauenbeauftragten berufen
wuerde.
Bislang haben wir darauf gesetzt, dass SPD und Buendnis 90/Die
Gruenen unsere Interessen vertreten. Nach der Berufung von Karl Hermann Haack
zum Behindertenbeauftragten sehen wir uns in dieser Erwartung
getrogen. Deshalb werden wir unsere Interessen kuenftig selbst
wahrnehmen.
Wenn behauptet wird, der Behindertenbeauftragte muesse ein
Abgeordneter des Deutschen Bundestages sein, so koennen wir darauf
nur antworten:
1. SPD und Buendnis 90/Die Gruenen verfuegen ueber eine hinreichende
Mehrheit im Bundestag und Bundesrat, Gesetze zu aendern und eine
nichtdiskriminierende Regelung zu verabschieden, die die Berufung
eines Behinderten zum Behindertenbeauftragten garantiert;
2. Bei der Aufstellung von Wahllisten werden wir kuenftig darauf
bestehen, dass Behinderte entsprechend ihres Bevoelkerungsanteils
von 10 % fuer aussichtsreiche Listenplaetze nominiert werden, so dass
Behinderte auch im Deutschen Bundestag entsprechend ihres Anteils
an der Bevoelkerung repraesentiert sind.
3. Wir wollen nicht mit einem Behindertenbeauftragten
zusammenarbeiten, der die Interessen Behinderter nicht aus eigener
Erfahrung kennt.
4. Wir erwarten, dass Herr Haack sein Amt zurueckgibt, um Platz fuer
einen Betroffenen zu machen.
Es ist nun an Ihnen, Herr Bundeskanzler, uns einen Vorschlag zu
unterbreiten, wie Sie die Durchsetzung einer Politik der sozialen
Gerechtigkeit verwirklichen und die Gleichstellung Behinderter
vorantreiben wollen. Wir kennen genuegend faehige Leute in unseren
Reihen, die Sie bei der Verwirklichung unserer Vorstellungen
kompetent und tatkraeftig unterstuetzen koennen.
Am 3.Dezember ist der "Welttag der Behinderten". Wir haetten uns
gewuenscht, an diesem Tag in der Bundesrepublik erstmals einen
behinderten Behindertenbeauftragten zu haben, der uns in Politik
und Gesellschaft repraesentiert. Die Angst vor einer Konfrontation
mit Behinderten scheint jedoch nicht nur in der Gesellschaft
fortzubestehen; 1000 Jahre dunkelster deutscher Vergangenheit
wirken leider auch noch in den Koepfen von
Regierungsverantwortlichen nach. Beweisen Sie uns, dass Sie
persoenlich Lehren aus der Geschichte gezogen haben!
Wir erwarten umgehende Antwort
Mit freundlichen Gruessen
Franz-Josef Hanke Jens Bertrams
--cut here--
--
Behinderte in Gesellschaft und Beruf (BiGuB) e. V.
Deutschhausstr. 21, 35037 Marburg
Tel.: 0 64 21 / 68 65 31 E-Mail: bigub-info_bEi_pobox.com, presse_bEi_bigub.com
WWW: http://www.bigub.com