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Re: Rundfunkgeb|hren, abschliessendes
- Subject: Re: Rundfunkgeb|hren, abschliessendes
- From: Eberhard Hahn <eberhard.hahn_bEi_zdv.uni-tuebingen.de>
- Date: Mon, 9 Aug 1999 18:19:45 +0200 (MEST)
Hallo Klaus-Peter und alle!
Auf die Gefahr hin, dass ich etwas wiederkaeue, was andere schon
geschrieben haben, doch noch ein paar Stichworte auf die Fragen von
Klaus-Peter:
On Mon, 9 Aug 1999, Klaus Peter Wegge wrote:
> 1. Nur ein geringer Anteil er Blinden beherrscht die Blindenschrift.
Blindenschrift wird haeufig deshalb nicht gelernt, weil die Leute der
Meinung sind oder gesagt bekommen, dass sie nichts (mehr) damit anfangen
koennen. Persoenliche Anschreiben in Punktschrift koennten neue Argumente
liefern und vielleicht mehr Lernbereitschaft wecken. Natuerlich ist das
erst einmal Theorie, aber man darf doch sicher darueber nachdenken.
Ausserdem weist Anne richtig darauf hin, dass ja nicht nur die
Braillschrift als Alternative in Betracht kommt.
> Woran erkennt eine Behoerde, welchem Blinden ein Braillebrief zu >
> schicken ist
Ein zusaetzliches Attribut in der Datenbank plus die Moeglichkeit, eine
alternative Schriftform beantragen zu koennen, und der Kaes ist gegessen.
> und wie wird mit denjenigen umgegangen, die weder Braille noch
> Normaldruck lesen koennen?
Wie gesagt, es gibt noch weitere Medien. Ob es realistisch ist, mehr als
zwei Schriftformen anzustreben, mag man bezweifeln, aber lasst uns doch
erst einmal grundsaetzlich ueber Problemloesungen nachdenken.
> 2. Die Produktionskosten fuer Brailledokumente sind aus bekannten
> Gruenden hoeher.
Auf die Gefahr hin, dass ich damit etwas provoziere, moechte ich doch hier
einmal fragen duerfen, was diese "bekannten" Gruende eigentlich sind. Der
klassische Blindendruck war ein sehr kostspieliges Verfahren: Mit der
Punziermaschine wurden die Punkte in zusammengefalzte (und damit
zweilagige) Zinkplatten gepraegt. Von diesen Matrizen wurden dann die
Abzuege gefertigt, indem man das Papier Blatt fuer Blatt zwischen die
Platten legte und das Ganze dann zusammenpresste. Allein schon das
Material, das fuer dieses Verfahren gebraucht wurde, war recht teuer.
Hinzu kamen hohe Lagerungskosten. Ausserdem brauchte man eine Person mit
ausgezeichneten Spezialkenntnissen, die es fertig brachte, beim
Abschreiben Kurzschriftuebersetzung, Formatierung und Design von Hand bzw.
Hirn zu erledigen. Schliesslich war das Abziehen, wie man sich denken
kann, eine langwierige Handarbeit. Und trotzdem hat es Punktschriftbuecher
gegeben, wenn sie auch - begreiflicherweise - ziemlich teuer waren. Dann
kamen die elektronischen Drucker, die die Zinkmatrizen ueberfluessig
machten, die Computer, die die Formatierung und die
Kurzschriftuebersetzung uebernahmen, und das Abziehen entfiel ganz und gar
(stattdessen kann jetzt der Drucker unbeaufsichtigt vor sich hinnudeln).
Teilweise fallen die Texte bereits auf Datentraeger an, muessen also nicht
mehr abgeschrieben werden. Die verbleibende Arbeit ist mit weitaus weniger
Personal zu bewaeltigen, das ueber weit weniger Spezialkenntnisse
verfuegen muss. Was sich trotzdem nicht wesentlich geaendert hat, sind die
Preise. Ist das halbwegs plausibel zu erklaeren?
> 3. Wie erklaere ich einem aussenstehenden, dass ich Blindengeld bekomme,
> von der Krankenkasse ein Vorlesesystem und dann noch Probleme
> mit Normaldruckdokumenten?
Das haben andere schon erschoepfend beantwortet.
> 4. Angenommen, eine Firma wuerde jedem Blinden als Erstattung der
> Vorlesekosten der Normaldruckrechnung einen bestimmten Rabat
> einraeumen oder alternativ eine Brailledruckrechnung ausstellen,
> aber ohne Rabat. Welche Variante wuerde wohl bevorzugt?
Das wage ich nicht zu prognostizieren. Man muesste es ausprobieren. Man
hat ja auch bei der Bank die Wahl, sich die Kontoauszuege gegen Gebuehr
zuschicken zu lassen oder sie selbst abzuholen.
> Ueber eine Diskussion dieser Problematik wuerde ich mich sehr freuen.
> Aber bitte keine Polemik. Dazu ist dieses Thema viel zu wichtig.
Nun, wenn wir hier mit Worten wie "Diskriminierung" spielen, muss das ganz
sicher nicht als Polemik verstanden werden. Das Wort
"Antidiskriminierungsgesetz" ist laengst in aller Munde, und warum sollten
wir den abstrakten Begriff der Diskriminierung nicht mit konkreten
Inhalten fuellen duerfen?
Wenn Arne schliesslich zu bedenken gibt, dass wir doch eine kleine
Minderheit sind, fuer die ein solcher Aufwand wohl kaum getrieben wird,
moechte ich doch anmerken, dass ja auch die Rollstuhlfahrer - wir wollen
unserem Herrgott danken - eine kleine Minderheit bilden. Wenn nun aber
allerorten darauf gedraengt wird, dass Bordsteinkanten abgesenkt,
oeffentliche Gebaeude und Verkehrsmittel "behindertengerecht" (in praxi
ein Synonym fuer "rollstuhlgerecht") gestaltet werden usw., ist das nicht
doch ein Zeichen dafuer, dass in unserer Gesellschaft auch Minderheiten
Aussichten auf angemessene Beruecksichtigung haben?
Verzeihung, dass ich mich nicht kuerzer fassen konnte.
Einen schoenen Abend noch!
Eberhard