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RE: Rundfunkgeb|hren, abschliessendes
- Subject: RE: Rundfunkgeb|hren, abschliessendes
- From: "Gosch, Anne" <a.gosch_bEi_chestercc.gov.uk>
- Date: Tue, 10 Aug 1999 09:06:56 +0100
Hallo, Eberhard,
Du sprichst mir aus der Seele. Ohne auf einzelne Punkte, die Du gemacht
hast, einzugehen, moechte ich hier nur kurz sagen, dass es natuerlich zwischen
der Situation sehgeschaedigter in Deutschland und Grossbritannien viele
Parallelen gibt. Wir erhalten hier zwar inzwischen viele Dokumente im
Medium unserer Wahl, aber grundlegende Probleme wie die von Eberhard
angefuehrte Definition von "berhindertengerecht" gleich rollstuhlgerecht sind
hier nicht anders. Wir halten hier weniger finanzielle Unterstuetzung - und
sie ist schwieriger zu bekommen - und daran arbeiten unsere Organisationen
hier auch. Es gibt also ueberall eine Menge zu tun - packen wir es an!
Es gruesst Anne
> -----Original Message-----
> From: Eberhard Hahn [SMTP:eberhard.hahn_bEi_zdv.uni-tuebingen.de]
> Sent: Monday, August 09, 1999 5:20 PM
> To: fblinu_bEi_mvmpc100.ciw.uni-karlsruhe.de
> Subject: Re: Rundfunkgeb|hren, abschliessendes
>
> Hallo Klaus-Peter und alle!
>
> Auf die Gefahr hin, dass ich etwas wiederkaeue, was andere schon
> geschrieben haben, doch noch ein paar Stichworte auf die Fragen von
> Klaus-Peter:
>
> On Mon, 9 Aug 1999, Klaus Peter Wegge wrote:
>
> > 1. Nur ein geringer Anteil er Blinden beherrscht die Blindenschrift.
>
> Blindenschrift wird haeufig deshalb nicht gelernt, weil die Leute der
> Meinung sind oder gesagt bekommen, dass sie nichts (mehr) damit anfangen
> koennen. Persoenliche Anschreiben in Punktschrift koennten neue Argumente
> liefern und vielleicht mehr Lernbereitschaft wecken. Natuerlich ist das
> erst einmal Theorie, aber man darf doch sicher darueber nachdenken.
> Ausserdem weist Anne richtig darauf hin, dass ja nicht nur die
> Braillschrift als Alternative in Betracht kommt.
>
> > Woran erkennt eine Behoerde, welchem Blinden ein Braillebrief zu >
> > schicken ist
>
> Ein zusaetzliches Attribut in der Datenbank plus die Moeglichkeit, eine
> alternative Schriftform beantragen zu koennen, und der Kaes ist gegessen.
>
> > und wie wird mit denjenigen umgegangen, die weder Braille noch
> > Normaldruck lesen koennen?
>
> Wie gesagt, es gibt noch weitere Medien. Ob es realistisch ist, mehr als
> zwei Schriftformen anzustreben, mag man bezweifeln, aber lasst uns doch
> erst einmal grundsaetzlich ueber Problemloesungen nachdenken.
>
> > 2. Die Produktionskosten fuer Brailledokumente sind aus bekannten
> > Gruenden hoeher.
>
> Auf die Gefahr hin, dass ich damit etwas provoziere, moechte ich doch hier
> einmal fragen duerfen, was diese "bekannten" Gruende eigentlich sind. Der
> klassische Blindendruck war ein sehr kostspieliges Verfahren: Mit der
> Punziermaschine wurden die Punkte in zusammengefalzte (und damit
> zweilagige) Zinkplatten gepraegt. Von diesen Matrizen wurden dann die
> Abzuege gefertigt, indem man das Papier Blatt fuer Blatt zwischen die
> Platten legte und das Ganze dann zusammenpresste. Allein schon das
> Material, das fuer dieses Verfahren gebraucht wurde, war recht teuer.
> Hinzu kamen hohe Lagerungskosten. Ausserdem brauchte man eine Person mit
> ausgezeichneten Spezialkenntnissen, die es fertig brachte, beim
> Abschreiben Kurzschriftuebersetzung, Formatierung und Design von Hand bzw.
>
> Hirn zu erledigen. Schliesslich war das Abziehen, wie man sich denken
> kann, eine langwierige Handarbeit. Und trotzdem hat es Punktschriftbuecher
> gegeben, wenn sie auch - begreiflicherweise - ziemlich teuer waren. Dann
> kamen die elektronischen Drucker, die die Zinkmatrizen ueberfluessig
> machten, die Computer, die die Formatierung und die
> Kurzschriftuebersetzung uebernahmen, und das Abziehen entfiel ganz und gar
> (stattdessen kann jetzt der Drucker unbeaufsichtigt vor sich hinnudeln).
> Teilweise fallen die Texte bereits auf Datentraeger an, muessen also nicht
> mehr abgeschrieben werden. Die verbleibende Arbeit ist mit weitaus weniger
> Personal zu bewaeltigen, das ueber weit weniger Spezialkenntnisse
> verfuegen muss. Was sich trotzdem nicht wesentlich geaendert hat, sind die
> Preise. Ist das halbwegs plausibel zu erklaeren?
>
> > 3. Wie erklaere ich einem aussenstehenden, dass ich Blindengeld bekomme,
> > von der Krankenkasse ein Vorlesesystem und dann noch Probleme
> > mit Normaldruckdokumenten?
>
> Das haben andere schon erschoepfend beantwortet.
>
> > 4. Angenommen, eine Firma wuerde jedem Blinden als Erstattung der
> > Vorlesekosten der Normaldruckrechnung einen bestimmten Rabat
> > einraeumen oder alternativ eine Brailledruckrechnung ausstellen,
> > aber ohne Rabat. Welche Variante wuerde wohl bevorzugt?
>
> Das wage ich nicht zu prognostizieren. Man muesste es ausprobieren. Man
> hat ja auch bei der Bank die Wahl, sich die Kontoauszuege gegen Gebuehr
> zuschicken zu lassen oder sie selbst abzuholen.
>
> > Ueber eine Diskussion dieser Problematik wuerde ich mich sehr freuen.
> > Aber bitte keine Polemik. Dazu ist dieses Thema viel zu wichtig.
>
> Nun, wenn wir hier mit Worten wie "Diskriminierung" spielen, muss das ganz
> sicher nicht als Polemik verstanden werden. Das Wort
> "Antidiskriminierungsgesetz" ist laengst in aller Munde, und warum sollten
> wir den abstrakten Begriff der Diskriminierung nicht mit konkreten
> Inhalten fuellen duerfen?
>
> Wenn Arne schliesslich zu bedenken gibt, dass wir doch eine kleine
> Minderheit sind, fuer die ein solcher Aufwand wohl kaum getrieben wird,
> moechte ich doch anmerken, dass ja auch die Rollstuhlfahrer - wir wollen
> unserem Herrgott danken - eine kleine Minderheit bilden. Wenn nun aber
> allerorten darauf gedraengt wird, dass Bordsteinkanten abgesenkt,
> oeffentliche Gebaeude und Verkehrsmittel "behindertengerecht" (in praxi
> ein Synonym fuer "rollstuhlgerecht") gestaltet werden usw., ist das nicht
> doch ein Zeichen dafuer, dass in unserer Gesellschaft auch Minderheiten
> Aussichten auf angemessene Beruecksichtigung haben?
>
> Verzeihung, dass ich mich nicht kuerzer fassen konnte.
>
> Einen schoenen Abend noch!
> Eberhard