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Tests (BITE-Bericht)



Hallo,

aus gegebenem Anlass poste ich meinen Aufsatz ueber den Umgang mit
Testergebnissen, der in "Sozialrecht und Praxis" erscheint.

Falls Fragen bestehen, muss ich um etwas Geduld bitten, da ich erst ab 28.
9. wieder mitlese.

Ruediger Leidner:

Windows fuer Blinde- Zugangsloesungen im Test

Waehrend in Deutschland Windows-Loesungen fuer blinde Anwender noch unter 
Windows 3.11 getestet wurden, fuehrte die American Foundation for the Blind
z. T. mit denselben 
Programmen Tests unter Windows 95 durch. Da diese 
Testergebnisse bereits im Fruehjahr veroeffentlicht wurden, sollen sie zum
Anlass genommen werden, nicht nur hierueber 
kurz zu berichten, sondern auch auf Probleme beim Umgang mit solchen
Ergebnissen hinzuweisen. 

Die Testdurchfuehrung

Getestet wurden 6 Produkte, von denen drei (Jaws, Virgo und Slimware Window
Bridge) auch in 
Deutschland erhaeltlich sind. Nachstehende Ausfuehrungen beschraenken sich
daher auf die in Deutschland 
verfuegbaren Produkte, wohingegen die anderen Programme (Winvision, Asaw,
Window-Eye) nicht 
weiter erwaehnt werden.

Getestet wurden bei allen Zugangsloesungen drei grosse Bereiche
  Installation und Dokumentation,
  Bedienbarkeit von 
WinWord 97, 
Wordperfect 6.1, 
Internet Explorer 3.02, 
Netscape Navigator 3.01.

Ein Gesamturteil wurde nicht abgegeben, vielmehr wurden in jedem dieser
Bereiche Noten zwischen 0 
(keine Zugangsmoeglichkeit) und 5 (aehnlich gute Bedienbarkeit wie bei
einem sehenden Anwender) 
vergeben. Beide Extremwerte wurden ueberhaupt nicht vergeben. Zwei
Produkte, darunter auch Jaws, 
erhielten in recht vielen Bereichen die Note 4, d. h., gute Bedienbarkeit
bei noch vorhandenem geringen 
Verbesserungsbedarf. 

Zum Umgang mit Testergebnissen

Da diese Windows-Loesungen in Deutschland fuer rund DM 3.000 verkauft
werden, lohnt es sich schon 
allein aus diesem Grund, sich ueber die Aussagekraft derartiger Tests
Gedanken zu machen, bevor eine 
Entscheidung getroffen wird. Beruecksichtigt man zudem, dass ausser dem
Programm selbst weitere 
Hilfsmittel wie Sprachsynthesizer und/oder Blindenschriftausgabegeraete
notwendig sind, die die Kosten 
eines Computerzugangs erheblich verteuern, wird das Risiko, sich auf einen
vielleicht ungeeigneten Test 
zu verlassen, noch groesser.

Aktualitaet der Ergebnisse

Wer sich bei Kaufentscheidungen im Alltag haeufig an Testergebnissen in
Zeitschriften orientiert, kennt 
das Problem: Der zeitliche Abstand zwischen der Veroeffentlichung des
Testergebnisses und der 
individuellen Kaufentscheidung ist oft so gross, dass das Produkt in der
getesteten Form gar nicht mehr 
am Markt ist. Dieses Problem besteht natuerlich nicht nur bei Staubsaugern
oder Rasierapparaten, 
sondern in noch weit groesserem Umfang im Computerbereich. 

Manchmal ist die Ungeeignetheit eines Testergebnisses offensichtlich: Wenn,
wie in Deutschland, im 
vergangenen Jahr erst Tests fuer Zugangsloesungen zu Windows 3.11
durchgefuehrt wurden und 
erst sehr viel spaeter veroeffentlicht werden, wird auch auf den ersten
Blick schnell klar, dass diese 
Ergebnisse in den Zeiten von Windows 95/98 bzw. Windows NT eher historische
Bedeutung haben.

Das Aktualitaetsproblem besteht aber auch bereits bei den in den USA
durchgefuehrten Tests, und zwar in 
mehrfacher Hinsicht:

Zum einen wurden die Tests seit Sommer 1997 durchgefuehrt, also mit
Versionen von Jaws, Virgo und 
Slimware, die inzwischen deutlich verbessert wurden. 

Zum anderen wurden die Tests aber auch nicht zeitgleich durchgefuehrt.
Identisch war lediglich die 
Hardware und die Software-Umgebung (Windows 95). Da aber die Entwickler
dieser Zugangsloesungen 
in recht kurzen Zeitabstaenden Updates verteilen, mit denen in erster Linie
bekannt gewordene Fehler 
behoben werden (sollen), ist bei zeitlich versetzten Tests davon
auszugehen, dass die einzelnen 
Zugangsloesungen einen unterschiedlichen Entwicklungsstand beim Zugang zu
Windows 95 und den 
eingangs genannten Anwendungsprogrammen hatten.

Umfang der Tests

Beeintraechtigt wird die Aussagekraft und Verwendbarkeit dieser Tests auch
dadurch, dass aus der 
Veroeffentlichung nicht hervorgeht, was bei den einzelnen
Anwendungsprogrammen eigentlich getestet 
wurde. Lediglich im Zusammenhang mit WinWord wird haeufiger der Umgang mit
der 
Rechtschreibpruefung erwaehnt. Inwieweit aber andere Bereiche dieses
Programms 
getestet wurden, laesst zumindest die Veroeffentlichung nicht erkennen.
Ueberhaupt nicht erwaehnt werden 
auch gerade fuer blinde Anwender zentrale Funktionen wie die Kontrolle von
Darstellungsarten, Absatz- 
und Zeilenabstaenden sowie die Anpassbarkeit der Darstellung an
individuelle Gegebenheiten. Was nuetzt 
aber einem Kaufinteressenten der Hinweis, die Rechtschreibpruefung liesse
sich mit der einen 
Zugangsloesung besser bearbeiten als mit einer anderen, wenn fuer ihn ganz
andere Funktionen im 
Vordergrund stehen?

Und wie weiter? 

Tests dieser Art koennen immer nur eine Momentaufnahme sein. Je schneller
die Entwicklung 
voranschreitet, um so schneller werden damit auch die Testergebnisse
entwertet. Dies hat zur Folge, 
dass derartige Tests nicht zu zeit- und kostenaufwendig sein duerfen;
hierdurch wird aber andererseits 
ihre Aussagekraft beeintraechtigt. Fuer individuelle Kaufentscheidungen -
insbesondere bei 
Arbeitsplatzausstattungen, bei denen in der Regel noch sehr viel mehr zu
beruecksichtigen ist als nur die 
Bedienbarkeit des Betriebssystems und einiger Anwendungsprogramme (z. B.
Vernetzung, 
betriebsspezifische Anwendungen), sind sie daher kaum geeignet. Hier wird
ueber neue Formen der 
Information nachzudenken sein. Nur einen ersten, wenn auch sehr wichtigen,
Schritt hierzu stellen 
Anwenderforen auf der Basis sogenannter ,Mailing-Listen" im Internet dar.
Solche Foren gibt es auch 
unter blinden und sehbehinderten Computeranwendern, nicht nur in den USA,
sondern inzwischen auch 
in Deutschland. Das deutsche Forum entstand durch die Eigeninitiative eines
blinden Programmierers. 

Weitere Informationen hierzu gibt es im Internet unter
http://www.lynet.de/~mhaenel

In diesem Forum koennen die Anwender selbst ihre Erfahrungen mit den sie
speziell betreffenden 
Produkten austauschen, so dass eine recht gute, naemlich aktuelle und im
Bedarfsfall detaillierte, 
Informationsplattform entstehen kann. 

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