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Re: CD-Rohlinge
- Subject: Re: CD-Rohlinge
- From: 03834503707-0001_bEi_t-online.de (J. Trinkus)
- Date: 29 Sep 1998 23:08:00 +0100
Hallo Andreas!
Zuwelch komplexen Gedanken solch ein schlichter Rohling doch fuehren kann!
Auch ich kann Dir in einem Kernpunkt zustimmen: dass PC-Brenner von der
"Zwangsabgabe" befreit bleiben, waehrend die Nutzer von Consumergeraeten
"bluten" muessen, ist nicht "gerecht".
Nun hast Du mir aber wieder viel interessanten Stoff zur Debatte
geliefert, und ich muss vorweg sagen, dass es natuerlich auch von
weltanschaulichen Grundueberzeugungen abhaengt, wie hier einer argumentiert.
Wir werden uns gegenseitig sicher nicht ueberzeugen lassen, aber es ist
schon gut und wichtig, sich auf die Argumente des Anderen einzulassen.
Also, los geht s.
Du schreibst, ich erwidere:
> sicher wollte ich Dich durch meine Wortwahl nicht veraergern und auch
> keinen persoenlich beleidigen. Vielmehr richtet sie sich gegen ein
> System, naemlich das der Eintreibung von Zwangsentgelten, unabhaengig
> davon, ob und in welchem Umfang ich eine Leistung ueberhaupt in Anspruch
> nehme.
Du erkennst also das solidarprinzip nicht an? Ich meine dagegen, dass auch
die, welche keine eigenen Kinder haben, das Bildungswesen und sogar den
Nachteilsausgleich fuer Familien mittragen muessen. Wenn wir das nicht
anerkennen, sollten wir auch die Hauptfuersorgestellen und das Blindengeld
aufgeben, denn auch diese Leistungen werden von den Nichtbetroffenen
unfreiwillig finanziert.
> Wenn ich mir auf eine Casette z.B. persoenliche Korrespondenz oder einen
> Zeitungsartikel oder ein Buch auflesen lasse, kassiert die GEMA zu
> Unrecht.
Ja, sicher doch. Aber nur einmal, waehrend Du - Gott sei Dank - die
Kassette beliebig oft und zu allem Moeglichen verwenden kannst. Uebrigens
werden auch auf Photokopierer solche Abgaben erhoben, die dann ide VG Wort
kassiert.
>Wenn ich mit meinem Radio nicht oder kaum
> oeffentlich-rechtliche Programme hoere, kassiert die GEZ ganz oder
> teilweise zu Unrecht. jeder, der ein Produkt auf dem Markt anbietet,
> bekommt nur ein Entgelt, wenn jemand das Produkt auch tatsaechlich
> kauft: niemand als die genannten koennen dafuer kassieren, dass jemand
> theoretisch die Moeglichkeit hat, das Produkt zu nutzen, ohne dass es
> auf die tatsaechliche Inanspruchnahme ankommt.
Die Frage ist doch, ob oeffentlich-rechtlicher Rundfunk ein gewoehnliches
Produkt ist. Wollen wir uns also nicht mehr Institutionen leisten, die
frei sind von Markinteressen. Ich wuenschte mir, die Oeffentlich-Rechtlichen
waeren freier von Quotenruecksichten.
Ich reagiere vielleicht sensibler an diesem Punkt, weil ich selber beim
oeffentlich-rechtlichen NDR arbeite. Was ich da mache, waere unter
Marktgesichtspunkten undenkbar. Auch die ARD von heute wuerde nicht wieder
ein solches Bekenntnis zu ihrem "Kulturauftrag" ablegen, wie in der
Prosperitaetszeit, als die Schallarchive etabliert wurden. Du musst wissen,
ich bin Wortdokumentar und erschliesse das Tontraegererbe aus DDR- und
Wendezeit.
> Stell Dir mal vor, der HSV hier in Hamburg koennte von allen Leuten, die
> in der Naehe des Volkspakstadions wohnen, eine "Fenstergebuehr"
> erheben, da sie ja von ihrem Balkon oder Fenster aus Spiele mit ansehen
> koennten. Das Wort "mafia-Methoden" wuerde sicher nicht nur am
> Stammtisch fallen.
Das praktische Beispiel ist wertvoll. Aber was sehen die Anwohner denn
tatsaechlich? - Du kannst es aber auch drehen, und dann kommt eine andere
Seite zum Vorschein. Die enormen Polizeieinsaetze im Umfeld der
Fussballspiele bezahlt noch immer der Steuerzahler!
> Aber Du hast rehcht: es gehoerte vielleicht nicht so pointiert hierher.
Noe, gegen die Zuspitzung habe ich ja gar nichts.
>Wer in seinem Fach gut ist _und_ Kultur produziert, fuer die es am markt
> auch eine Nachfrage gibt, muss sicher nicht in die Taxe. Ob Subventionen
> von Kulturprodukten sinnvoll sind, fuer die es keine Abnehmer gibt, ist
> genausozurecht umstritten wie die Frage, ob Stahl oder Agrarprodukte
> subventioniert werden muessen. Jeder Handwerker - und ist ein Musiker
> denn sosehr was anderes? - der etwas anfertigt, was niemand haben will,
> muss entweder seine Produktion umstellen oder eben Taxe fahren. Nur
> dadurch, dass jemand sein Produkt als "Kunst" oder "Kultur" tituliert,
> kann er sich doch nicht den fuer alle anderen Produzenten geltenden
> Regeln entziehen.
Weisst Du, mir bringen einige Leute seit einiger Zeit als Geschenke CDs
mit, die sie selber gebrannt und sogar die Bookletts kopiert haben.
Solcher Trend kann selbst gute Musiker ernsthaft schaedigen. Und ich kenne
wirklich gute Leute, die kaum von ihrer Musik leben koennen. Denen hilft
auch kaum irgendwelche GEMa, in Saus und Braus zu leben. Nur, wenn sich
die Raubbrenner um den Preis der Leistung herummogeln, muss das auch in
Deinem Sinne unehrenhaft, ja strafbar sein. Und nun kommt der Punkt: Da
man das freie Kopieren von Musik nicht kontrollieren kann, hat man sich
auf eine Durchschnittspauschale auf alle Kopiermedien geeinigt. Die ist
nicht so hoch, dass sie arm macht. Sie betraegt bei Audiokassetten nur
Pfennige. Warum Aduio-CD-Rohlinge so teuer sind, kann an der GEMA allein
nicht liegen.
> inzwischen hat jeder die Auswahl, ob er privaten oder
> oeffentlich-rechtlichen Rundfunk hoeren will, Warum die Zwangsgebuehr?
> Merkwuerdigerweise gibt es keine "Spiegel"- oder "Spektrum der
> Wissenschaft"-Zwangsgebuehr. Das sind Zeitschriften, die sicher nicht
> den Massenmarkt ansprechen. Die, die sie lesen moechten, bezahlen
> dennoch dafuer. Die, die sie nicht lesen wollen, nicht. Warum kann es
> mit den Radioanstalten der "ersten Reihe" nicht genau so gehen?
Qualitaet kostet mehr Geld, als breite Kreise dafuer bereit oder auch in der
Lage sind zu zahlen. Wenn der oeffentlich-rechtliche Rundfunk geschleift
wird, gehen die Massstaebe noch vollend vor die Hunde. Aber das wirst Du
nicht nachvollziehen wollen, weil Du nicht zu der Minderheit gehoerst, die
die aufwendig produzierten Kulturprogramme brauchen.
"Der Spiegel" ist wirklich ein interessantes Phaenomen. Er hat das Glueck,
dass er doch von einem Millionenpublikum getragen wird, um das sich die
Anzeigenkunden reissen: gut verdienende Mittelklasse. Auf diese Weise wird
auch in Deutschland investigativer Journalismus, ja manchmal gar die
einzige Opossition finanziert. Waere die Kultur schon so weit vor die Hunde
kommerzialisiert worden, dass der "Fokus" das Rennen gemacht haette, waere
das Land qualitativ aermer geworden.
Du lobst im Weiteren die amerikanischen Verhaeltnisse. Ich kenne sie zu
wenig, finde sie aber auch nicht attraktiv. Haben sich nicht gerade jetzt
erst wieder "die Amerikaner" sehr kindisch benommen, als alle auf das
Video von der Clinton-Vernehmung starrten, waehrend keiner mehr auf seine
UNO-Rede hoerte?
Nichts fuer ungut. Dei schmeissen uns noch raus aus fblinu, wenn wir so
weiter machen.
Ich kann mir jetzt auch nicht mehr die Zeit nehmen, meinen Erguss auf
Tipfehler durchzulesen.
Hat mich durchaus gefreut, mit Dir zu streiten, womit ich nicht sagen
will, dass Du jetzt nicht etwas erwidern sollst. Aber vielleicht muessen wir
das jetzt privatim weiterfuehren. Aber wen es nicht interessiert, der muss
es ja nicht lesen. Aber er muss es doch mitbezahlen, weil es
gebuehrenpflichtige Zeit braucht, die ungebeten Statements in den Computer
stroemen zu lassen.
Mit besten Gruessen aus Nordost nach Nordwest
Juergen
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