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BAG: Kuendigung-Kurzerkrankungen, Schwerbehinderter



## Nachricht vom 13.02.00 weitergeleitet
## Ursprung : /DE/SOC/RECHT/ANNOUNCE
## Ersteller: g.dresel_bEi_link-lev.de

                              Bundesarbeitsgericht
                             Pressemitteilung Nr.06
                                vom 20.01.2000



BAG, Urteilvom 20.01.2000 - 2 AZR 378/99

Vorgehende Entscheidung:
LAG Berlin, Urteil vom 15. Februar 1999 - 9 Sa 126/98

*Normen:*
  1 Abs. 2 KSchG
Art 3 Abs. 3 Satz 2 GG

*Stichworte:*
Kuendigung
Kurzerkrankungen
Erkrankungen
Schwerbehinderter
krankheitsbedingten
Fehlzeiten (krankheitsbedingte)
Entgeltfortzahlungskosten
Entgeltfortzahlung
Kuendigungsschutzklage
Kuendigungsschutz
Hauptfuersorgestelle
Betriebsratsanhoerung
Betriebsrat
Schwerbehinderung

>>Kuendigung wegen haeufiger Kurzerkrankungen

Der schwerbehinderte Klaeger ist seit 1986 bei der Beklagten als
Maschinenarbeiter taetig. Er ist 1957 geboren, verheiratet und fuenf
Kindern unterhaltspflichtig. Seit 1990 kam es vermehrt zu
krankheitsbedingten Fehlzeiten. Von 1995 bis 1997 fehlte der Klaeger
jaehrlich 67, 109 bzw. 104 Arbeitstage.

Von 1990 bis 1997 entstanden der Beklagten Entgeltfortzahlungskosten
in Hoehe von mehr als 60.000,-- DM. Am 9. Oktober 1997 stimmte der
Betriebsrat der von der Beklagten beabsichtigten ordentlichen
Kuendigung zu. Auch die Hauptfuersorgestelle erteilte ihre Zustimmung,
allerdings erst mit Bescheid vom 21. Januar 1998.

Die dagegen vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage ist noch nicht
entschieden. Am 3. Februar 1998 kuendigte die Beklagte das
Arbeitsverhaeltnis ordentlich zum 30. Juni 1998, ohne den Betriebsrat
erneut anzuhoeren.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die
Kuendigungsschutzklage des Klaegers abgewiesen.

Die Revision des Klaegers fuehrte zur Zurueckverweisung des Rechtsstreits
an das Landesarbeitsgericht.

Zwar scheitert die Wirksamkeit der Kuendigung nicht schon am Fehler
einer ordnungsgemaessen Betriebsratsanhoerung. Bei der Kuendigung des
Arbeitsverhaeltnisses eines Schwerbehinderten kann die Anhoerung des
Betriebsrats auch schon vor der Durchfuehrung des Zustimmungsverfahrens
bei der Hauptfuersorgestelle erfolgen.

Eine Wiederholung des Anhoerungsverfahrens ist nur dann erforderlich,
wenn sich vor Ausspruch der Kuendigung der Kuendigungssachverhalt
wesentlich veraendert hat. Dies war hier nicht der Fall.

Die soziale Rechtfertigung der Kuendigung (  1 Abs. 2 KSchG) laesst sich
jedoch noch nicht abschliessend beurteilen. Das Berufungsgericht hat
angenommen, nach den Diagnosen der einzelnen Erkrankungen sei damit zu
rechnen gewesen, dass der Klaeger auch in Zukunft jaehrliche
krankheitsbedingte Fehlzeiten in nicht unerheblichem Umfang aufweisen
werde und deshalb bei ihm kuenftig Entgeltfortzahlungskosten fuer einen
Zeitraum von mehr als sechs Wochen jaehrlich zu erwarten gewesen seien.

Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Landesarbeitsgericht hat jedoch im Rahmen der Abwaegung der
beiderseitigen Interessen nicht alle massgeblichen Umstaende
beruecksichtigt, indem es die familiaeren Verhaeltnisse des Klaegers und
dessen Schwerbehinderung voellig ausser Betracht gelassen hat. Im Rahmen
der Interessenabwaegung ist zu pruefen, ob die betrieblichen
Beeintraechtigungen durch die Krankheiten des Arbeitnehmers aufgrund
der Besonderheiten des Einzelfalls vom Arbeitgeber billigerweise noch
hinzunehmen sind oder ihn ueberfordern.

Die Unterhaltspflichten und eine evtl. Schwerbehinderung des
Arbeitnehmers beeinflussen das Gewicht seines Interesses an der
Erhaltung seines Arbeitsplatzes und sind deshalb grundsaetzlich bei
einer krankheitsbedingten Kuendigung im Rahmen der Interessenabwaegung
zu beruecksichtigen.

Je mehr Unterhaltspflichten den Arbeitnehmer treffen, um so hoeher ist
seine soziale Schutzbeduerftigkeit. Auch der Schwerbehinderte ist in
besonderem Masse sozial schutzwuerdig (vgl. Art 3 Abs. 3 Satz 2 GG). Die
der Tatsacheninstanz vorbehaltene Pruefung, ob angesichts der
erheblichen Krankheitszeiten des Klaegers und der zu erwartenden
Entgeltfortzahlungskosten die familiaeren Verhaeltnisse des Klaegers und
seine Schwerbehinderung tatsaechlich bei der Interessenabwaegung zu
seinen Gunsten den Ausschlag geben koennen, wird das
Landesarbeitsgericht nach der Zurueckverweisung nachzuholen haben.

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